
In einer bemerkenswerten Wende haben mehr als 60 Hochschulen und Forschungsinstitute in Deutschland ihre Konten auf der Plattform X, ehemals als Twitter bekannt, stillgelegt. Dies wurde vor allem durch die zunehmende Radikalisierung des Diskurses auf der Plattform ausgelöst, die sich nach Ansicht der Institutionen nicht mit ihren Grundwerten wie Weltoffenheit, Transparenz und demokratischem Diskurs vereinbaren lässt. Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gab bekannt, dass sie die Entscheidung getroffen hat, und verwies darauf, dass diese Maßnahme nicht im Namen des Bundesverbands der Hochschulen erfolgt.
Die Hochschulen kritisieren insbesondere die algorithmische Verstärkung rechtspopulistischer Inhalte und die Einschränkung der Reichweite, die zur Verbreitung von Desinformation und Hass führen können. „Wir sehen die Notwendigkeit, ein Zeichen für faktenbasierte Kommunikation und gegen antidemokratische Kräfte zu setzen“, erklärte der Kommunikationschef der Universität Düsseldorf, Achim Zolke. Bisher haben 63 Einrichtungen an dem Rückzug teilgenommen, darunter auch bedeutende Universitäten wie die Freie Universität Berlin und die RWTH Aachen.
Austritte aus mehreren Bundesländern
Besonders betroffen sind auch Institutionen aus Berlin und Brandenburg. Hier haben acht Universitäten, darunter die Humboldt-Universität zu Berlin und die Universität Potsdam, ihren Rückzug erklärt. Silke Engel, Sprecherin der Universität Potsdam, betonte, dass sich die Arbeits- und Funktionsweise der Plattform in den letzten Monaten stark verändert habe. Das Fehlen von Moderation unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit führe außerdem zu einer gefährlichen Verbreitung von Hass und manipulativen Inhalten.
Der Rückzug von X ist nicht isoliert. Auch die Stadt Bochum hat angekündigt, die Plattform zu verlassen, insbesondere nach einem umstrittenen Live-Gespräch zwischen Elon Musk und der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel. Die Entscheidung, ihre X-Accounts im „eingefrorenen“ Zustand zu belassen, zielt darauf ab, Missbrauch durch Dritte zu verhindern.
Die Rolle sozialer Medien in der Gesellschaft
Soziale Medien sind um die Jahrtausendwende populär geworden und haben sowohl demokratische als auch antidemokratische Tendenzen gefördert. Kritiker warnen vor einer Fragmentierung der Öffentlichkeit und einem Anstieg von Fake News. Bei politischen Diskursen haben soziale Medien eine entscheidende Rolle gespielt – sei es bei den Wahlen im Iran 2009 oder im Arabischen Frühling. Dennoch berichten zahlreiche Studien über unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich der Wahrnehmung und des Verhaltens politischer Meinungen in diesen digitalen Räumen.
Die verstärkte Nutzung sozialer Medien zeigt Einfluss auf die politische Beteiligung, doch die Ergebnisse sind abhängig von demografischen Faktoren wie Alter und Geschlecht. Dies stellt eine Herausforderung für die Medienkompetenz und Regulierung solcher Plattformen dar, bei denen die Nutzergruppen oft sehr unterschiedliche Verhaltensweisen aufweisen.
Zusammenfassend wird klar, dass die Situation auf der Plattform X einen schwelenden Konflikt zwischen den Werten akademischer Institutionen und der aktuellen Ausrichtung sozialer Medien widerspiegelt. Der Rückzug der Hochschulen könnte als ein Signal verstanden werden, dass die Verantwortlichen der Plattform zum Handeln aufgefordert werden, um dem wachsenden Misstrauen in der Hochschul- und Forschungsgemeinschaft entgegenzutreten.