
Martin Pollack, ein herausragender österreichischer Journalist und Schriftsteller, ist im Alter von 80 Jahren verstorben. Der gebürtige Österreicher, Jahrgang 1944, hinterlässt ein umfassendes literarisches Erbe, das sich intensiv mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt. Sein besorgniserregender Gesundheitszustand war das Resultat eines langen Kampfes gegen den Krebs, der ihn in seinen letzten Lebensjahren stark einschränkte. Pollack, der viele Jahre als Korrespondent für das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ in Mittel- und Osteuropa arbeitete, erlebte die Wendezeit 1989 hautnah auf dem Wenzelsplatz in Prag.
Er war nicht nur als Journalist tätig, sondern auch als Slawist und Übersetzer, insbesondere aus dem Polnischen. Diese vielschichtige Ausbildung und Erfahrung prägten seine literarischen Werke, die sowohl Erzählungen als auch Reportagen umfassen. Zu seinen bekanntesten Veröffentlichungen gehören der kulturgeschichtliche Reiseführer „Nach Galizien“ von 1984 sowie die erfolgreichen Bücher der Nullerjahre, darunter „Anklage Vatermord“ (2002) und „Kaiser von Amerika“ (2010). Sein bekanntestes Werk, „Der Tote im Bunker“ (2004), ist ein eindringliches Porträt seiner eigenen Familiengeschichte und dessen Verstrickungen im Nationalsozialismus – ein Schlüsselwerk in der österreichischen Literatur, das den Leser mit dunklen Kapiteln der Geschichte konfrontiert.
Ein Meister der dokumentarischen Literatur
Pollack gilt als ein Meister der dokumentarischen Literatur. In „Der Tote im Bunker“ thematisiert er nicht nur die Schuld seiner Familie an den Verbrechen des NS-Regimes, sondern zeichnet auch das Bild seines leiblichen Vaters, Gerhard Bast, der als Gestapochef von Linz während des Zweiten Weltkrieges agierte. Dieses „Bericht“ genannte Werk ist ein Beispiel für den sensiblen Umgang mit den dunklen Seiten der Geschichte und wurde erst im Alter von 60 Jahren veröffentlicht. Pollacks Fähigkeit, persönliche und kollektive Erinnerungen zu verknüpfen, setzte Maßstäbe in der Erinnerungskultur.
Seine Essays, wie etwa „Kontaminierte Landschaften“ (2014) und „Topografie der Erinnerung“ (2016), erweitern das Spektrum seines Schaffens und reflektieren tiefgreifend über das, was das 20. Jahrhundert geprägt hat. Pollack wurde international ausgezeichnet, unter anderem mit dem Leipziger Buchpreis im Jahr 2011 und dem Kulturpublizistikpreis der Stadt Wien im Jahr 2024. Trotz seiner bemerkenswerten Leistungen wurde er in seiner Wahlheimat Bocksdorf im Burgenland nie gewürdigt.
Posthume Veröffentlichungen und ein bleibendes Erbe
Zusätzlich zu seinem vielfältigen literarischen Werk wird im Mai posthum der Reportagen-Band „Zeiten der Scham“ im Residenz Verlag erscheinen. Pollack hinterlässt ein bleibendes Erbe als Kulturvermittler, der die Erinnerungen an eine komplexe europäische Geschichte lebendig hält. Sein Werk wird in vierzehn Sprachen übersetzt und findet weltweit Anerkennung. Die Erinnerungsarbeit Pollacks macht ihn zu einer Schlüsselfigur in der Diskussion um die Verarbeitung der NS-Vergangenheit in Österreich und darüber hinaus.
Sein Beitrag zur Literatur wird in den kommenden Jahren sowohl in akademischen als auch in literarischen Kreisen weiter gewürdigt werden. Martin Pollack wird als wertvoller Erinnerungsarbeiter der europäischen Literatur in die Geschichte eingehen.