
Am 1. Januar 2025 startet das ehrgeizige Projekt „MV Seagrass for climate“, initiiert vom Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommern. In Zusammenarbeit mit vier Projektpartnern aus drei Bundesländern soll in den kommenden acht Jahren die Erfassung, Kartierung und Dokumentation der Seegrasbestände entlang der Ostseeküsten vorangetrieben werden. Die Projektausgaben belaufen sich auf insgesamt 12 Millionen Euro, wobei die Finanzierung vollständig vom Bund übernommen wird. Ein zentrales Ziel des Projekts ist die Wiederansiedlung von Seegraswiesen, um die heimischen Ökosysteme zu verbessern und die Klimaschutzleistungen zu stärken.
Seegras spielt eine entscheidende Rolle im Ökosystem der Ostsee. Es gilt als natürliche CO2-Senke, die zwischen 30 und 50 Mal mehr Kohlenstoff bindet als vergleichbare Wälder. Zudem bieten Seegraswiesen einen wichtigen Lebensraum für zahlreiche Fischarten und andere Meeresorganismen, wodurch sie wesentlich zur Biodiversität in der Ostsee beitragen. Resilienz gegenüber dem Klimawandel und den damit verbundenen Herausforderungen ist eine der Kernfragen, die Wissenschaftler beschäftigen. Diese Wiesen sind jedoch durch steigende Wassertemperaturen und Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft bedroht.
Tourismus und Umweltschutz im Dialog
In vergangenen Jahren gab es Bedenken, dass die Förderung von Seegraswiesen negative Auswirkungen auf den Tourismus haben könnte. Ein Bericht von Nordkurier zeigt, dass 2023 über 6,3 Millionen Gäste Mecklenburg-Vorpommern besuchten, vor allem wegen der attraktiven Strände. Eine Umfrage von Statista aus 2017 ergab, dass 74 Prozent der Befragten saubere Sandstrände und klares Wasser als wichtige Kriterien für ihren Urlaub betrachten.
Der Tourismusverband Fischland-Darß-Zingst sieht jedoch keine negativen Auswirkungen auf den Tourismus durch das Projekt. Im Gegensatz dazu äußert der Tourismusverband Usedom Bedenken und hofft auf eine Ansiedlung von Seegras, die sich nicht in der Nähe von Badeorten erfolgt. Der Usedomer Verband plädiert zudem dafür, in den Umsetzungsprozess des Projekts eingebunden zu werden.
Die Lage des Seegrases in der Ostsee
Die Wissenschaft deckt derzeit auf, dass die Seegraswiesen in der Ostsee, die in ihrer Funktion den Korallenriffen in tropischen Gewässern ähneln, zunehmend unter Druck stehen. Diese Wiesen sind nicht nur entscheidend für die Speicherung von CO2, sondern tragen auch zur Steigerung der Biodiversität bei. Der Verlust von Seegraswiesen ist alarmierend, da seit dem 19. Jahrhundert etwa 60 Prozent der ursprünglichen Fläche verloren gegangen sind. Intensive Landwirtschaft und der Eintrag von Stickstoffverbindungen durch Düngemittel gelten als Hauptursachen.
Aktuelle Forschungen in der Kieler Bucht konzentrieren sich darauf, „Super-Seegras“ zu finden, das an höhere Temperaturen angepasst ist. Der Temperaturanstieg in der Ostsee übersteigt das Pariser Klimaziel von maximal 1,5 Grad bereits, wobei höhere Wassertemperaturen für das Überleben von Seegras kritisch sind. Ein Hektar Seegras kann jährlich etwa zwei Tonnen CO2 speichern, was die Notwendigkeit für Schutz- und Wiederansiedlungsprojekte verdeutlicht.
Die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV hat bereits seit 2021 das Projekt „Seegras für MV“ ins Leben gerufen, welches sowohl Aufforstungsstrategien als auch die Nutzung von Rollrasentechniken zur Wiederbelebung dieser Ökosysteme untersucht.
Insgesamt wird der Erhalt und die Wiederansiedlung von Seegras für die ökologischen und klimatischen Herausforderungen der Ostsee als entscheidend eingeschätzt. Die verschiedenen Akteure, sei es in der Wissenschaft oder im Tourismus, sind sich einig, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Umweltschutz und der touristischen Nutzung gefunden werden muss.