
Im Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg werden seit 2022 keine Extremfrühchen mehr regulär behandelt. Dieses Schicksal teilen zahlreiche Kliniken in Deutschland, da die gesetzlichen Vorgaben für den Status eines Perinatalzentrums Level 1 eine Mindestanzahl von Geburten vorschreiben. Insbesondere die Anforderungen an die Behandlung von Neugeborenen mit einem Gewicht von unter 1.250 Gramm sind strenger geworden.
Im Jahr 2022 wurden im Neubrandenburger Klinikum lediglich sieben Babys mit einem Gewicht von weniger als 1.250 Gramm geboren. Dies liegt deutlich unter der gesetzlich geforderten Mindestanzahl von 25 Extremfrühchen pro Jahr, die für den Erhalt des Level 1-Status notwendig ist. Dr. Sven Armbrust, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, weist auf die Bedeutung dieser Regelung für die Familien hin, die einen großen emotionalen und logistischen Stress erleiden müssen, wenn sie ein Level 1-Zentrum in Rostock, Greifswald oder sogar Berlin aufsuchen müssen. Nordkurier berichtet, dass die Familienführung seit zwei Jahren mit Unsicherheiten zu kämpfen hat, da die Notfälle, wie schwere Blutungen, oft eine rechtzeitige Verlegung unmöglich machen.
Verlegungen und Behandlungsmöglichkeiten
In den Jahren 2023 und 2024 durften Extremfrühchen nur in Notfällen im Klinikum Neubrandenburg behandelt werden. In 2024 kam es hierbei zu sieben Notfällen. Für schwangere Frauen, deren Babys vermutlich unter 1.250 Gramm wiegen, wurden bereits acht Verlegungen in ein Level 1-Zentrum vorgenommen. Dr. Armbrust fordert, dass die Kriterien für die Mindestmengenregelung flexibler gehandhabt werden, um der besonderen regionalen Situation von Mecklenburg-Vorpommern Rechnung zu tragen. Ärzteblatt berichtet, dass eine von der Sozialministerin Stefanie Drese vorgeschlagene Ausnahmeregelung von den Krankenkassen abgelehnt wurde.
Das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum hat den Level 2-Status, der die Behandlung von Frühchen zwischen 1.250 und 1.500 Gramm erlaubt, jedoch ist die Honorierung durch die Krankenkassen für diese Behandlung vergleichsweise gering. Für viele Familien wird der Verlust des Level 1-Status gleichbedeutend mit einer Schließung der Frühchen-Station wahrgenommen. Die Geburtsstatistik des Klinikums zeigt, dass im Jahr 2022 insgesamt 727 Entbindungen verzeichnet wurden, darunter 67 Frühgeburten, was einem Anteil von 9,2 % entspricht. Davon wogen 59 Neugeborene weniger als 2.500 Gramm und 16 von ihnen hatten ein Gewicht unter 1.500 Gramm.
Politische Debatte und Gesellschaftliche Auswirkungen
Die zu beobachtende Entwicklung hat in verschiedenen politischen Kreisen große Besorgnis ausgelöst. Ministerin Drese äußerte Bedauern über die Entscheidung der Krankenkassen und betont die Notwendigkeit einer offenen Diskussion zur künftigen Planung am Klinikstandort. Im Bundestag wurde eine Petition mit rund 110.000 Unterschriften behandelt, die sich für eine Unterstützung der Klinik einsetzte, doch das Bundesgesundheitsministerium hat noch keine abschließende Stellungnahme abgegeben.
Die Schließung der Behandlungsfunktion für Extremfrühchen in Neubrandenburg ist nicht nur eine Herausforderung für die betroffenen Familien, sondern stellt auch die behandelnden Ärzte vor schwierige Entscheidungen. Diese müssen die gesundheitlichen Risiken bei Verlegungen sorgsam abwägen, um die bestmögliche Versorgung für die Kleinen sicherzustellen. Während eine reguläre Behandlung nun in Städten wie Rostock, Greifswald oder Berlin stattfinden muss, bleibt die Geburtenstation in Neubrandenburg weiterhin bestehen, sodass werdende Mütter in der Region weiterhin die Möglichkeit haben, ihre Kinder vor Ort zur Welt zu bringen.