
Am 28. Januar 2025 starb Dr. Tamila Kyrylova, eine ehemalige Gastwissenschaftlerin der Europa-Universität Viadrina, in Frankfurt (Oder). Ihre Lebensgeschichte, geprägt von Mut und Engagement, berührt viele, insbesondere die ukrainische Gemeinschaft, in der sie aktiv war. Kyrylova war ein Symbol für Widerstandsfähigkeit, nachdem sie mit ihrer Schwester Laryssa ihre Heimat in der Ukraine nach den ersten Bombenangriffen auf Kyjiv verließ. Mit nichts als Laptops und kleinen Rucksäcken begann sie ihr neues Leben in Deutschland, wo sie als Deutschlehrerin und Wissenschaftlerin tätig war. Besonders geprägt von ihrer frühen Faszination für die deutsche Sprache, begann sie bereits im Alter von sieben Jahren, Deutsch zu lernen.
Der Axel Springer-Lehrstuhl für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte an der Europa-Universität Viadrina spielte eine entscheidende Rolle in ihrer akademischen Laufbahn. Ihre Doktormutter Dr. habil. Ievgeniia Voloshchuk und Prof. Dr. Kerstin Schoor unterstützten sie, während sie ein Stipendium der VolkswagenStiftung erhielt. In ihrer Promotion, die 2014 abgeschlossen wurde, untersuchte sie die Repräsentation weiblicher Subjektivität in der Prosa von Herta Müller, Monika Maron und Jenny Erpenbeck.
Akademische und soziale Beiträge
Kyrylova war nicht nur akademisch aktiv, sondern setzte sich auch für geflüchtete Ukrainer in Frankfurt (Oder) ein. Sie engagierte sich im Oekumenischen Europa-Centrum sowie in städtischen Einrichtungen und war bekannt für ihren unterstützenden Geist, verkörpert in ihrem Motto: „Keine Sorge, wir werden es schaffen.“ Ihr persönliches Engagement war untrennbar mit ihrem beruflichen Werdegang verbunden: Sie unterrichtete an verschiedenen Bildungseinrichtungen, darunter die Grundschule Mitte in Frankfurt und die Quirito Academy GmbH.
Besonders berührend ist der Umstand, dass sie bis zur letzten Minute um ihr Leben kämpfte, als sie Opfer eines Brandes wurde. Die Universität und die Gemeinschaft sprechen den Angehörigen, insbesondere ihrer Mutter Olga und Schwester Laryssa, ihr Beileid aus. In einem Aufruf zur Spende wird um Unterstützung für die Beerdigungskosten gebeten, da die Familie als Geflüchtete in Frankfurt lebt.
Literarische Werke
Dr. Kyrylova war auch eine produktive Wissenschaftlerin, die verschiedene Arbeiten über die deutsche Literatur verfasste. Ihre Publikationen, wie „Kul′turni povoroty: novi orijentyry v naukach pro kul′turu“ (2021) und zahlreiche Artikel über die Werke bedeutender deutscher Autoren, verdeutlichen ihr Engagement für die Literaturwissenschaft. Ihre Schriften betrugen Themen von der Ästhetik der Moderne bis zur Geschlechtermarkierung in literarischen Grenzräumen.
Einige ihrer bemerkenswerten Beiträge umfassen die Analyse des Romans „Mein Jahr als Mörder“ von Friedrich Christian Delius und die Verarbeitung kolonialer Vergangenheit in „Imperium“ von Christian Kracht. Diese Arbeiten zeugen von ihrer tiefen Auseinandersetzung mit der Literatur und der kulturellen Identität.
Dr. Kyrylova wird als leidenschaftliche Wissenschaftlerin und engagierte Persönlichkeiten in Erinnerung bleiben, deren Einfluss weit über ihre akademischen Errungenschaften hinausgeht. Ihre Geschichte spiegelt die Herausforderungen und Triumphe wider, die viele Geflüchtete und Akademiker angesichts von Krieg und Exil meistern müssen.
Die Europa-Universität Viadrina und die Gemeinschaft nehmen Abschied von einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, die nicht nur die akademische Landschaft, sondern auch das soziale Gefüge in Frankfurt (Oder) bereichert hat. Ihr Vermächtnis wird durch die Erinnerungen all derjenigen weiterleben, die das Glück hatten, sie zu kennen und von ihr zu lernen.
Europa-Universität Viadrina, Kulturwissenschaftliche Fakultät der Europa-Universität Viadrina, Copernico.