
Im Mittelpunkt eines juristischen Streits steht Lina E., die vor rund zwei Jahren in Dresden zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Das Oberlandesgericht (OLG) sprach sie wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme und der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe prüft nun das Urteil und die von beiden Seiten eingelegte Revision. Auf die mündliche Verhandlung muss Lina E. nicht erscheinen, da der Haftbefehl gegen sie unter Auflagen außer Vollzug gesetzt wurde. Zuvor hatte sie zwei Jahre und sechs Monate in Untersuchungshaft verbracht. Ihre Reststrafe von fünf Jahren und drei Monaten wird erst wirksam, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Der BGH prüft den Fall ausschließlich auf mögliche Rechtsfehler, ohne neue Beweise oder Zeugen zu hören. Sollte das Urteil aufgehoben werden, könnte eine Neuverhandlung in Dresden notwendig sein.
Lina E. gilt als Kopf einer Gruppe, die zwischen 2018 und 2020 zusammen mit anderen gewaltsame Übergriffe auf vermeintliche Anhänger der rechten Szene verübt hat. Die Bundesanwaltschaft hatte im Verfahren eine Haftstrafe von acht Jahren gefordert. Die Verteidigung plädierte hingegen auf Freispruch. Der Fall hat in der linksradikalen Szene große Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und der Slogan „Free Lina“ hat sich in Leipzig und darüber hinaus verbreitet. Unterstützerinnen und Unterstützer betrachten sie als Märtyrerin, die vom Staat wie eine Terrorverdächtige behandelt wird. Proteste und Ausschreitungen begleiteten das OLG-Urteil.
Gesetzliche und gesellschaftliche Dimensionen
Das Urteil gegen Lina E. wurde von der Bundesanwaltschaft als Produkt außergewöhnlicher krimineller Energie bezeichnet, obwohl die Gruppe, der sie angehörte, keinen erkennbaren Namen hatte und keinen offiziellen Gründungsprozess durchlief. Das Verfahren basierte überwiegend auf Indizien, wobei die Verteidigung die einseitige Auslegung dieser Indizien anprangerte. Der Hauptbelastungszeuge Leon R. wurde selbst wegen seiner Rolle in einer kriminellen Vereinigung verurteilt, während ein weiterer Zeuge, Johannes D., aus der linksautonomen Szene ausgestoßen wurde und mit Vergewaltigungsvorwürfen konfrontiert ist.
Der BGH muss nun darüber entscheiden, ob das OLG-Urteil rechtmäßig und gerechtfertigt ist oder ob die Strafe zu hoch oder zu niedrig ist. Eine Entscheidung könnte bereits am Nachmittag bekannt gegeben werden.
Politische und gesellschaftliche Reaktionen
Die Auseinandersetzung rund um Lina E. verläuft nicht nur vor Gericht, sondern hat auch in der Gesellschaft zu einem erbitterten Disput geführt. In den sozialen Medien sieht sich Lina E. als Heldin einer Bewegung, die gegen Rechtsextremismus kämpft. Gleichzeitig gibt es Bedenken über die Radikalisierung innerhalb linksextremer Gruppen, die durch den Fall sichtbar wird. Laut Verfassungsschutzbericht gab es im Jahr 2023 insgesamt 37.000 linksextremistisch motivierte Personen in Deutschland, wobei die Zahl gewaltorientierter Linksextremisten auf 11.200 gestiegen ist.
Es bleibt abzuwarten, wie der BGH über den Fall Lina E. urteilt und welche Folgen dies für die Debatte um Recht und Unrecht in der politischen Landschaft Deutschlands haben wird. Es ist ein weiteres Kapitel in einem laufenden Konflikt über die Grenzen von Gewalt in politischen Auseinandersetzungen.
Weitere Details zu diesem Fall und den damit verbundenen gesellschaftlichen Themen finden sich in den Berichten von ZVW sowie Tagesschau. Die aktuellen Entwicklungen können auch im Verfassungsschutzbericht eingesehen werden.