
Gesundheitskampagnen in Massenmedien spielen eine entscheidende Rolle für die öffentliche Gesundheit. Dies wird besonders deutlich in der aktuellen Kampagne „Neudefinition von Alkohol“, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Oktober 2024 gestartete. Diese Kampagne zielt darauf ab, über die Gefahren des Alkoholkonsums aufzuklären. Es ist alarmierend, dass Alkoholkonsum für ein Elftel aller Todesfälle in der Europäischen Region verantwortlich ist. In Anbetracht dieser gravierenden Zahl forschen PsychologInnen des Konstanzer Exzellenzclusters „Kollektives Verhalten“ zur Wirksamkeit von Präventionsvideos gegen riskanten Alkoholkonsum. Derzeit untersuchen sie mithilfe moderner bildgebender Verfahren wie fMRT und EEG, wie ZuschauerInnen auf diese Botschaften reagieren.
Durch diese innovativen Ansätze wird die Hirnaktivität der ZuschauerInnen gemessen. Bei wirksamen Videobotschaften zeigen die Analysen eine verstärkte Synchronisation der Hirnaktivität. Dabei gibt es eine besonders hohe Inter-Subjekt-Korrelation der Messwerte, was bedeutet, dass die ZuschauerInnen in ihren Reaktionen auf die Botschaften sehr ähnlich sind. Besonders die Hirnregionen, die mit Aufmerksamkeit, Emotionen und persönlicher Relevanz verbunden sind, synchronisieren sich deutlich. Die Wahrnehmung von Kampagnen als effektiv oder ineffektiv erscheint robust, wie wiederholte Befragungen belegen.
Neuronale Einsichten und Herausforderungen
Ein entscheidender Vorteil dieser neuronalen Messmethoden besteht darin, dass sie tiefere Einblicke in die Prozesse des Gehirns bieten, die durch Selbstberichte allein nicht erfasst werden können. Dennoch stehen die Forschenden vor Herausforderungen, denn die Methoden sind teuer und komplex. Um die Forschung direkter auf die Realität abzubilden, haben die WissenschaftlerInnen ihre Studien von Laborumgebungen in Seminarräume verlagert. Mittels tragbarer EEG-Technologie mit 24 Kanälen können sie nun die Hirnaktivität einer Gruppe während des gemeinsamen Schauens von Videos analysieren. Das ermöglicht eine realitätsnahe Erfassung der Synchronisation der Hirnströme, die auch unter tatsächlichen Bedingungen nachgewiesen werden konnte.
Die mobile EEG-Technologie eröffnet darüber hinaus neue Möglichkeiten in der Forschung zu Gruppenkoordination auf neuraler Ebene. Dies könnte künftig auch in anderen Kontexten von Bedeutung sein, um das Zusammenspiel von Wahrnehmung, Emotion und Entscheidung besser zu verstehen.
Die Emotion in der Gesundheitskommunikation
Im Bereich der Gesundheitskommunikation ist neben der neuronalen Forschung auch die emotionale Dimension von zentraler Bedeutung. Stefan Böschen, Projektleiter bei „DiPubHealth“ und Lehrstuhlinhaber für „Technik und Gesellschaft“ an der RWTH Aachen University, hebt hervor, dass in aktuellen Diskursen zur Gesundheit emotionale Polarisierungen oft eine wesentliche Rolle spielen. Diese Emotionalisierung betrifft nicht nur aktuelle Themen wie die Coronapandemie oder die Feinstaubdebatte, sondern auch alltägliche Diskussionen über Ernährung, wie etwa den Konsum von Schweinefleisch.
Böschen betont, wie wichtig es für Gesundheitsorganisationen ist, diese „Erregungspotenziale“ zu erkennen, um die Gefahr von Kommunikationsscheitern zu minimieren. Solche Misserfolge können entrückte Botschaften zur Folge haben, die von der Zielgruppe nicht verstanden oder ignoriert werden. Um dem entgegenzuwirken, wurde ein sechsstufiges Modell zur diskurssensiblen Gesundheitskommunikation entwickelt, das Gesundheitsorganisationen dabei unterstützt, die Komplexität der Diskurse zu erfassen und sukzessive anzugehen.
Ein zentraler Punkt dieses Modells ist, sich zunächst einen Überblick über den Diskurs zu verschaffen und auch kontroverse Positionen zu beachten. Die empfohlenen Strategien umfassen die Nutzung verschiedener Medien und Plattformen, um ein breites Spektrum an Meinungen zu erfassen. Nach Abschluss des Diskursmappings kann dann ein zielgruppenspezifisches Kommunikationsvorhaben entwickelt werden. Die Ergebnisse dieser Forschungsinitiativen sind nicht nur für die aktuelle Gesundheitskommunikation relevant, sondern auch für zukünftige Maßnahmen zur Förderung der öffentlichen Gesundheit.