
Die Sagrada Família in Barcelona, das Meisterwerk des Architekten Antoni Gaudí, erwartet eine bemerkenswerte Ergänzung: Ein begehbares Glaskreuz, das dem höchsten Turm der Basilika, dem „Turm des Jesus Christus“, hinzugefügt wird. Dieses Glaskreuz, das eine beeindruckende Höhe von 17 Metern und eine Breite von 13 Metern misst, wird die prachtvolle Bauerscheinung auf insgesamt 172,5 Meter erhöhen. Damit übertrifft die Sagrada Família das Ulmer Münster um mehr als zehn Meter und wird voraussichtlich bis zur Fertigstellung im Jahr 2030 der höchste Kirchenbau der Welt sein. SWR berichtet, dass das Glaskreuz 50 Tonnen wiegen wird und seine vier Arme von innen begehbar sind. Die Joseph Gartner GmbH aus Gundelfingen, ein Unternehmen, das auch an internationalen Projekten wie der Elbphilharmonie beteiligt war, ist für das Design und den Bau des Kreuzes verantwortlich.
Der Bau der Sagrada Família, der 1882 begann und durch zahlreiche Herausforderungen seitdem beeinträchtigt wurde, ist mehr als ein Architekturprojekt – er spiegelt den unaufhaltsamen Wunsch der Catalanen wider, ein religiöses Erbe zu schaffen, das Generationen überdauert. Der ursprüngliche Plan sah eine Fertigstellung im Jahr 2026 vor, um den 100. Todestag Gaudís zu ehren. Diese Frist wurde jedoch auf 2030 verschoben, unter anderem aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Komplexität des Projekts, das mittlerweile zu 70 % vollendet ist. Laut Schwäbische Post ist die Sagrada Família, die nun eine Höhe von 172,50 Metern erreichen wird, auch ein Symbol für das Unvollendete – ein ständiger Bautenprozess, der mit den Träumen, Hoffnungen und Herausforderungen der lokal ansässigen Gemeinschaft verbunden ist.
Unfertig und doch vollendet
Der Bauleiter Jordi Faulí i Oller leitet das Projekt seit 2012 und hat die Verantwortung, die Vision Gaudís fortzuführen. Tatsächlich wird die Sagrada Família, die seit 135 Jahren in Arbeit ist, nicht nur von Architekten, sondern auch von Künstlern und Handwerkern in einem kollektiven kreativen Prozess geprägt. Es hat sich eine lebendige Gemeinschaft von Barcelonesen entwickelt, die das Bauprojekt über fünf Generationen hinweg verfolgt und ihm Leben einhaucht. Der Autor der Schwäbischen Post, Bernhard Hampp, zieht Parallelen zwischen der Sagrada Família und seinem eigenen, kleineren Bauprojekt: einem Insektenhotel, das er über Jahre hinweg erstellt hat. Dieses persönliche Projekt stellt für ihn ein Gefühl der Leere dar, sobald es abgeschlossen ist. Hampp reflektiert darüber, was es bedeutet, mit dem „Unfertigen“ zu leben und wie Bauprojekte als Metaphern für das menschliche Streben nach Vollkommenheit und die temporäre Natur des Lebens stehen.
Die Sagrada Família wird mit ihrem Umfang von über 12.800 Quadratmetern und ihrem komplexen Design nicht nur religiöses, sondern auch kulturelles Erbe sein. Der gesamte Prozess, der Gaudís ursprünglichen Ideen vom Höhenbau umfasst, hat die Landschaft Barcelonas geprägt und Generationen inspiriert. So wird die Fertigstellung eines jeden Teils, seien es Türme oder Gänge, nicht nur als architektonische Leistung gefeiert, sondern auch als ein bedeutender Teil der Identität und der Geschichte dieser Stadt. Sagrada Família hebt hervor, dass die Produktionsphasen Einfluss auf den städtischen Raum haben, wobei jedes Bauvorhaben auch die lokalen Gemeinschaften herausfordert und bereichert.
In einer Epoche, in der unvollendete Bauprojekte oft in der Kritik stehen, können wir bei der Sagrada Família die positive Seite des „Unfertigen“ betrachten, das nicht bloß stehen bleibt. Wie im Fall der Dauerbaustelle Stuttgart 21, die ebenfalls immer wieder für Diskussionen sorgt, haben auch hier die ständigen Anpassungen ihren Platz im großen Gesamtbild. Die Sagrada Família ist nicht nur eine Kirche; sie ist ein Symbol des Glaubens, der Beständigkeit und der Hoffnung auf Vollendung – ein gelebtes Wunder, das mit der Zeit wächst.