
Am 13. Februar 2025 wurde bekannt, dass das Forschungskolleg „Europäische Zeiten/European Times“ (EUTIM) seine Aktivitäten zur Untersuchung von Ungleichzeitigkeiten und heterogenen Zeitvorstellungen in Europa maßgeblich fortsetzt. Die offizielle Eröffnung der zweiten Förderphase fand am 17. Januar 2025 im Forum Transregionale Studien in Berlin statt. Diese zweite Phase, die im Oktober 2024 begann, wird für drei Jahre mit etwa 1.143.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. EUTIM startete im Jahr 2021 mit der grundlegenden These, dass das Zeitverständnis in Mittel- und Osteuropa 30 Jahre nach dem Kalten Krieg deutlich von den westeuropäischen Auffassungen abweicht, wie Europa-Universität Viadrina berichtet.
Das Projekt untersucht im Kern die verschiedenen Regime von Zeitlichkeit, die in den Kulturen, Geschichtserzählungen und Literaturen Europas zu finden sind, mit einem besonderen Augenmerk auf Mittel- und Osteuropa. Dabei werden zentrale Zeitdiskurse analysiert, die von verlorenen Utopien bis hin zu inflationären Dystopien und Apokalypsen reichen. Aktuelle geopolitische Ereignisse, wie Russlands Retropolitik und der Ukraine-Konflikt, veranschaulichen diese heterogenen Zeitlichkeiten in Europa. EUTIM zielt darauf ab, durch die Analyse dieser aktuellen Zeitkonzeptionen kulturelle und gesellschaftliche Vorstellungen verständlich zu machen, wie Forum Transregionale Studien hinzufügt.
Forschungsinhalte und -ziele
EUTIM thematisiert die ungleichzeitigen Konzepte von „alt vs. neu“ und „Ost vs. West“, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie in der Gegenwart entstanden sind. Diese Ungleichzeitigkeiten resultieren aus Revolutionen und radikalen Reformprozessen, die während des Kalten Kriegs stattfanden. Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 wurden bestehende divergierende temporale und regionale Ordnungen aufgebrochen, die jedoch weiterhin Wirkung zeigen. EUTIM untersucht die Effekte dieser Ungleichzeitigkeiten in Bereichen wie Institutionen, Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein zentrales Ziel ist es, die Forschung zu Osteuropa mit allgemeinen Theoriefindungen in den Kultur- und Geisteswissenschaften zu verbinden.
Das Forschungskolleg hat umfangreiche Unterstützung durch mehrere Partnerinstitutionen, wie die Fakultät für Kulturwissenschaften der Viadrina und das Collegium Polonicum, erhalten. Weitere Partner sind das Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies sowie das Institut für Slavistik der Universität Potsdam. Als principal investigators leiten Prof. Dr. Annette Werberger, Prof. Dr. Andrii Portnov und Prof. Dr. Alexander Wöll die Forschungsaktivitäten, um innovative Konzepte in den offenen Regionalstudien zu entwickeln. Ihre Arbeiten tragen zur Stärkung der Osteuropaforschung im Raum Brandenburg und Berlin bei.
Wissenschaftliche Kommunikation und Nachwuchsförderung
Das Forum Transregionale Studien spielt eine entscheidende Rolle bei der Wissenschaftskommunikation und der transregionalen Vernetzung von EUTIM. Neben der Forschung fördert EUTIM außerdem die Entwicklung von hochwertigen Dissertationen, Habilitationen und Postdoc-Projekten. Insbesondere werden durch Nachwuchsforschergruppen und ein strukturiertes Promotionsprogramm neue Impulse in der Forschung gesetzt. An der Universität Potsdam untersucht eine literaturwissenschaftliche Nachwuchsgruppe unter der Leitung von Alexander Wöll, wie Ungleichzeitigkeiten in den Künsten dargestellt werden. Gleichzeitig wird an der Europa-Universität Viadrina ein Teilprojekt von Annette Werberger und Andrii Portnov durchgeführt, das sich mit dem Stillstand im Kalten Krieg auseinandersetzt.
Die Ergebnisse dieser umfassenden Forschung, die in einem breiten interdisziplinären Rahmen durchgeführt wird, sind von großer Bedeutung für das Verständnis der zeitlichen und räumlichen Narrative, die das europäische Bewusstsein prägen. EUTIM fördert damit nicht nur die akademische Forschung, sondern leistet auch einen Beitrag zur kulturellen Reflexion über die komplexen Zeitkonzeptionen, die in der europäischen Geschichte verwoben sind.