
Am Dienstag endete der Prozess gegen einen 70-jährigen Mann vor dem Münchner Amtsgericht, der beschuldigt wird, einen renommierten Rechtsmediziner mit falschen Plagiatsvorwürfen diskreditiert zu haben. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage forderten eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Angesichts der Schwere der Vorwürfe ist eine Aussetzung zur Bewährung ausgeschlossen, sollte das Gericht zu einer Haftstrafe verurteilen. Der Angeklagte sieht sich mit schweren Anklagen gegen die Tatvorwürfe konfrontiert – darunter Urkundenfälschung, Verleumdung und Betrug.
Im Mittelpunkt des Verfahrens steht eine Fälschung eines wissenschaftlichen Sammelbands, den der Angeklagte von Ghostwritern erstellen ließ. Dieser Sammelband, der in den 1980er Jahren entstand, enthielt Passagen aus der Doktorarbeit des Rechtsmediziners Matthias Graw, der das rechtsmedizinische Institut der LMU München leitet. Der Angeklagte hatte es offenbar darauf abgesehen, den Eindruck zu erwecken, Graw habe für seine Dissertation plagiiert.
Mechanismen der Täuschung
Um seine Pläne in die Tat umzusetzen, versteigerte der Angeklagte eigens gedruckte Exemplare des Sammelbands auf einer Auktionsplattform. Zudem beauftragte er sogenannte Plagiatsjäger, die über das Buch informiert wurden. Ihre Untersuchungen führten schließlich zu einer öffentlichen Bekanntmachung und einem Prüfverfahren an der Universität Hamburg, das jedoch schnell eingestellt wurde, als die Universität den Sammelband als Fälschung erkannte.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft brachten zudem ein mutmaßliches Motiv ans Licht. Es wird vermutet, dass der Angeklagte Rache für die Obduktion seiner Mutter im Jahr 2020 nahm, die gegen seinen Willen stattfand. Die Ermittlungen zur Todesursache seiner Mutter wurden 2021 eingestellt. Laut der Anklage könnte dieser Vorfall den Angeklagten dazu veranlasst haben, die wissenschaftliche Reputation von Graw zu zerstören.
Prozessverlauf und Reaktionen
Der Prozess selbst fand unter schwierigen Bedingungen statt, mit mehreren Unterbrechungen und juristischen Auseinandersetzungen. So stellte die Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen das Schöffengericht und forderte die Ablösung der Staatsanwältin. Am ersten Prozesstag äußerte sich der Angeklagte nicht zu den Vorwürfen. Zudem lehnte die Verteidigung eine angebotene Verständigung ab, die eine Bewährungsstrafe im Austausch für ein Geständnis vorsah.
Ein ermittelnder Polizist berichtete während seiner Vernehmung von gesicherten Dokumenten, die auf dem Computer des Angeklagten gefunden wurden, wodurch zusätzliche Belastungen in das Verfahren eingeflossen sind. Diese Umstände führten dazu, dass die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Fall stark angewachsen ist. Die Norm des Rechts, dass jeder Angeklagte bis zur Verurteilung als unschuldig gilt, hat auch in diesem komplexen Fall Gültigkeit.
Das Urteil in dieser heiklen Angelegenheit könnte nach fünf Verhandlungstagen, am 6. Februar, fallen. Der Ausgang des Verfahrens wird nicht nur für den Angeklagten von Bedeutung sein, sondern könnte auch weitreichende Implikationen für die betroffene akademische Gemeinschaft haben.