
Thomas Großbölting, ein angesehener Historiker und Experte für die Forschung zu sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche, starb am 11. Februar 2025 bei einem tragischen Zugunglück in der Nähe von Hamburg. Großbölting war auf dem Weg nach Köln zu einer Talkreihe des Kölner Stadt-Anzeiger. Der Zug, ein Intercity-Express (ICE), kollidierte in Hamburg-Rönneburg mit einem Sattelschlepper, was zu einer Kettenreaktion führte, die das Unglück verursacht hat. Trotz intensiver medizinischer Behandlung erlag er seinen schweren Verletzungen im Rettungswagen.
Geboren 1969 in der Nähe von Bocholt, studierte Großbölting Geschichte, katholische Theologie und Germanistik an der Universität Münster. Seine Dissertation von 1998 beschäftigte sich mit der Geschichte des Bürgertums in Magdeburg und Halle zur Zeit der DDR. Großbölting verfolgte eine akademische Karriere, die schließlich als Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Universität Hamburg gipfelte. Zudem war er Direktor der Forschungsstelle für Zeitgeschichte (FZH).
Einflussreiche Forschung und Öffentlichkeitsarbeit
Großbölting war besonders bekannt für seineaufklärerische Arbeit in Bezug auf sexualisierte Gewalt innerhalb der katholischen Kirche. Er war als Leiter an der „Forum“-Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie an einer umfassenden Studie über Missbrauchsfälle im Bistum Münster beteiligt. Diese Studie, die 2022 veröffentlicht wurde, gab alarmierende Einblicke: 196 Täter und rund 600 Betroffene wurden identifiziert, und es wurde eine systematische Vertuschung innerhalb der Kirche aufgezeigt. Münsters Bischof Felix Genn äußerte sich betroffen über den Verlust Großböltings, dessen Arbeit als Katastrophe für die Betroffenen sexualisierter Gewalt angesehen wird.
Als Gründungsmitglied der Aufarbeitungskommission im Bistum Münster setzte sich Großbölting dafür ein, dass die Stimmen der Missbrauchsopfer gehört werden. Sein Buch „Der verlorene Himmel“, das die Religionsentwicklung in Deutschland seit 1945 beleuchtet, sowie sein jüngstes Werk „Wiedervereinigungsgesellschaft. Aufbruch und Entgrenzung in Deutschland seit 1990“ sind Zeugnisse seiner tiefen Einsichten in die komplexen gesellschaftlichen Themen seiner Zeit.
Ein Vermächtnis der Erinnerung
Großbölting hinterlässt seine Frau und vier Kinder. Sein Tod hat eine Lücke hinterlassen, sowohl im akademischen Bereich als auch in den Herzen derjenigen, die von seiner Arbeit betroffenen sind. Klaus Große Kracht, ein Kollege, würdigte die Bedeutung von Großböltings Einfluss auf die zeitgeschichtliche Forschung. „Wir haben einen pionierhaften Forscher verloren, dessen Arbeiten und Ergebnisse für viele unverzichtbar waren,“ sagte Kracht.
Die Tragik von Großböltings Tod wird auch im Kontext des Missbrauchsskandals der katholischen Kirche gesehen, das 2010 durch Berichterstattung über Fälle am Canisius-Kolleg in Berlin öffentlich wurde. Der Missbrauchsskandal hat zu reformatorischen Bemühungen innerhalb der Kirche geführt, jedoch bleibt viel zu tun, um den Opfern gerecht zu werden.
Die katholische Kirche hat in den letzten Jahren an Ansehen und Glaubwürdigkeit verloren. Viele Betroffene kämpfen um Gehör und angemessene Entschädigungen. Die Ansätze der Kirche, Präventionsmaßnahmen einzuführen und Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch ernst zu nehmen, stehen jedoch oft in der Kritik, da die Vertuschung und die Beschämung von Opfern weiterhin strukturelle Probleme aufzeigen.
Der Verlust von Thomas Großbölting ist nicht nur ein persönlicher, sondern auch ein institutioneller. Sein Engagement und seine Leidenschaft für die Wahrheit werden nachhaltig in der Erinnerung derjenigen weiterleben, die für Gerechtigkeit kämpfen und die dunklen Kapitel der Geschichte aufarbeiten.