
Immer mehr Schüler in Niedersachsen fehlen unentschuldigt im Unterricht. Eine aktuelle Umfrage der Deutschen Presse-Agentur, an der rund 40 Landkreise und Städte teilnahmen, zeigt, dass viele Kinder und Jugendliche nicht regelmäßig zur Schule gehen. Der Begriff „Schulabsentismus“ fasst die Vielzahl der Gründe für unentschuldigtes Fehlen zusammen, die sowohl schulische als auch familiäre Probleme und psychische Erkrankungen umfassen können. Diese Probleme führen nicht nur zu massiven individuellen Folgen für die Betroffenen, sondern haben auch volkswirtschaftliche Auswirkungen.
Das Kultusministerium Niedersachsen bestätigt, dass Schulen zwar Daten zu unentschuldigten Fehlzeiten erheben, jedoch eine umfassende Statistik zu diesem Thema fehlt. Viele Behörden sind dazu nicht in der Lage, da bislang lediglich Ordnungswidrigkeitsverfahren dokumentiert werden. Die Schätzungen über die Anzahl der nicht zur Schule gehenden Kinder variieren erheblich: Während einige Behörden einen Anteil von etwa 1% annehmen, berichten andere von bis zu 12%. Besorgniserregend ist der Anstieg unentschuldigter Fehlzeiten, der seit 2022 in vielen Landkreisen zu beobachten ist.
Regionale Unterschiede und Maßnahme
Besonders betroffen sind die Landkreise Uelzen, Ammerland, Oldenburg, Wesermarsch, Lüchow-Dannenberg und Hannover, die alle steigende Zahlen unentschuldigter Fehlzeiten melden. Der Landkreis Cuxhaven hat außerdem einen Anstieg bei den Grundschülern festgestellt. Dennoch gibt es auch positive Entwicklungen: Der Landkreis Cloppenburg meldet ein stabiles Fallzahlniveau seit 2022, während im Landkreis Lüneburg die Zahl der Bußgeldverfahren leicht rückläufig ist. Unabhängig von den lokalen Unterschieden merkt das Kultusministerium hervor, dass präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Schulabstinenz notwendig sind.
Bei Verstößen gegen die Schulpflicht werden Gespräche zur Ursachenfindung geführt. Bei anhaltenden Problemen kann ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden, das Geldbußen nach sich ziehen kann. Diese Bußgelder werden bis zum 14. Lebensjahr gegen die Erziehungsberechtigten verhängt, ab dann auch gegen die Jugendlichen selbst. Die Möglichkeit, Bußgelder in gemeinnützige Tätigkeiten umzuwandeln, besteht ebenfalls. Wer die Arbeitsauflagen nicht erfüllt, muss mit einem Jugendarrest rechnen. Im Schuljahr 2023/2024 wurden im Landkreis Friesland vier Fälle von Jugendarrest verzeichnet, doch wie viele Jugendliche in Niedersachsen tatsächlich wegen Schulabsentismus in Haft kommen, ist unbekannt.
Intervenierende Maßnahmen und Prävention
Ein neuer Ansatz zur Bekämpfung der Schulverweigerung wird seit dem 01.08.2017 durch das Amtsgericht Wildeshausen verfolgt. Hierbei soll zunächst frühzeitig die Ursachen von Schulverweigerung im Alter von 14 bis 18 Jahren bearbeitet werden, anstatt sich ausschließlich auf Bußgeldverfahren zu konzentrieren. Schulen sind angehalten, frühzeitig über unentschuldigte Fehltage zu informieren, mit Meldungen ab dem fünften Fehltag. Bei unentschuldigten Fehlzeiten ab 15 Tagen wird das Verfahren an das Familiengericht weitergeleitet.
Das Familiengericht prüft im Anschluss das geistige und seelische Wohl des Jugendlichen und bindet gleichzeitig die Eltern ein. Bei erfolgreicher Bearbeitung wird das Bußgeldverfahren eingestellt. Sollte ein Jugendlicher jedoch nicht am Verfahren mitwirken, werden Arbeitsauflagen erlassen, die oft in Projekten des Landkreises Oldenburg stattfinden. Die bisherigen verordneten Geldbußen reichten von 50 Euro beim ersten Mal bis hin zu 100 bis 200 Euro bei Wiederholungsfällen.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass Schulverweigerung häufig tiefere psychologische Ursachen hat, wie Depressionen oder Burnout, die sich in Symptomen wie Unlust, negativer Stimmung und Passivität äußern. Dies führt häufig zu einem schlechten Schulabschluss, der später die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erheblich einschränkt. Viele Schüler, die die Schule verweigern, sind nicht unbedingt schlecht, sondern kämpfen oft mit den Umständen ihrer Situation – sei es durch familiäre Probleme, soziale Unsicherheiten oder die Belastungen des Schulsystems. Umso wichtiger ist die frühzeitige Unterstützung durch Eltern, Lehrer und Schulpsychologen, um diesen Jugendlichen zu helfen.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Schulabsentismus in Niedersachsen ein vielseitiges Problem darstellt, das vielfältige Ansätze zur Lösung erfordert. Die Bemühungen um Früherkennung und Unterstützung müssen intensifiziert werden, um den Jugendlichen die Rückkehr in ein regelmäßiges Schulleben zu ermöglichen.