
Die 75. Berlinale, die derzeit in Berlin stattfindet, hat nicht nur durch ihre künstlerischen Höhepunkte auf sich aufmerksam gemacht, sondern auch mit schweren politischen Kontroversen. Radu Jude erhielt für sein Werk „Kontinental ’25“ den Silbernen Bären für das beste Drehbuch. Jude äußerte in seiner Dankesrede scharfe Kritik an der Bundestagswahl in Deutschland und warnte davor, zukünftige Festivals mit dem Film „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl zu eröffnen, der die NS-Ideologie verherrlicht. Dies ist ein Thema, das der Filmemacher als besonders sensibel erachtet.
Politische Statements prägten die Abschlussgala der Berlinale. Jude sprach von „mordenden Bastarden“ und appellierte an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag, der gegen Kriegsherren ermitteln sollte. Es sei unklar, auf wen genau sich seine Vorwürfe bezogen, jedoch stehen Haftbefehle des Gerichts gegen Personen wie Benjamin Netanjahu, Joaw Galant und Mohammed Deif im Raum. Meryam Joobeur, Mitglied der Jury, kommentierte die „Bombenabwürfe“ auf Kinder, ohne dabei einen spezifischen Konflikt zu benennen.
Kontroversen und Antisemitismus-Vorwürfe
Die Berlinale begann und endete in einer von politischen Konflikten geprägten Atmosphäre. Nach der Preisverleihung wurden schwerwiegende Vorwürfe des Antisemitismus laut. Der Filmemacher Ben Russell trat mit einem Palästinensertuch auf und äußerte Genozid-Vorwürfe gegen Israel im Gazastreifen. Publikumsapplaus begleitete seine Äußerungen, was Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner als „untragbare Relativierung“ bezeichnete. Wegner forderte von der Festivalleitung, solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern und sprach sich gegen die Vorwürfe aus, die in der Berlinale zur Norm geworden sind.
Anikó Glogowski-Merten von der FDP forderte eine umfassende Überprüfung des Umgangs der Berlinale mit solchen Ereignissen. Konstantin von Notz von den Grünen und Martin Huber von der CSU nannten die Vorfälle eine „Schande“ und kritisierten Kultur-Staatsministerin Claudia Roth für ihr passives Verhalten. Auch der palästinensische Filmemacher Basel Adra, der den Panorama-Publikumspreis für seinen Film „No other Land“ erhielt, der sich gegen deutsche Waffenlieferungen an Israel ausspricht, verstärkte die Spannungen.
Kreative Auszeichnungen und inhaltliche Differenzen
Trotz der Kontroversen wurde auch die künstlerische Seite der Berlinale gewürdigt. Der Goldene Bär ging an den norwegischen Film „Drømmer“ (deutscher Titel: „Oslo Stories: Träume“) von Dag Johan Haugerud. Der Film erzählt die Geschichte einer 17-jährigen, die sich in ihre Lehrerin verliebt und ist Teil einer Trilogie zu Liebe und Sexualität. Der Große Preis der Jury wurde an Gabriel Mascaraos „O último azul“ („The Blue Trail“) verliehen, während Huo Meng für „Sheng xi zhi di“ („Living the Land“) als beste Regie ausgezeichnet wurde. Rose Byrne und Andrew Scott wurden ebenfalls für ihre schauspielerischen Leistungen geehrt.
Die Veranstaltung war von einem „dröhnenden Schweigen“ über den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober geprägt. Kritiker wie die Filmjournalistin Margret Köhler äußerten Besorgnis über die einseitigen Darstellungen, während einige Preisträger in ihren Dankesreden Solidarität mit Palästina bekundeten. Diese ungleiche Behandlung wurde von der Berlinale-Leitung zurückgewiesen, die sich von den einseitigen Meinungen distanzierte und die Komplexität des Nahost-Konflikts betonte. Der Wettbewerb selbst wurde als ästhetische Krise wahrgenommen, was die Diskussion über die kulturelle Verantwortung der Berlinale weiter anheizte.
Die 75. Berlinale vermittelt ein Bild von einem Festival, das tief im Spannungsfeld zwischen Kunst und Politik verankert ist. Mit ihren starken politischen Botschaften und zahlreichen Kontroversen ist die Festivalabschlusssitzung nicht nur eine Feier des Films, sondern auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Herausforderungen, mit denen Deutschland und die restliche Welt konfrontiert sind.