
Bernward Wittschier, ein 63-jähriger Mann, kämpft seit über zehn Jahren mit Taubheitsgefühlen in den Fingern, Zehen und im Gesicht. Diese Symptome haben sich mittlerweile auf seinen Kopf und Schulterbereich ausgeweitet, beeinträchtigen sogar sein Sprechen und Schlucken. Angesichts der unklaren Diagnose fühlt sich Wittschier ratlos und verzweifelt, da ihm trotz zahlreicher Konsultationen bei verschiedenen Fachärzten, darunter Neurologen und Orthopäden, nicht geholfen werden konnte. Er wurde mehrfach stationär im Zentrum für seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg behandelt, wobei die Suche nach einer Diagnose im Schnitt bis zu fünf Jahre dauern kann. In extremen Fällen ziehen sich solche Prozesse über 25 Jahre.
Die Problematik von seltenen Erkrankungen ist in Deutschland weit verbreitet. Etwa 4 Millionen Menschen sind betroffen, während es in Europa rund 30 Millionen sind. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass es mehr als 8.000 bekannte seltene Erkrankungen gibt, und ständig neue durch genetische Untersuchungen hinzukommen. Bei seltenen Erkrankungen gibt es oft kaum Therapien, da die Fallzahlen gering sind. Nur für 3% dieser Erkrankungen existieren zugelassene Medikamente. Die immense Frustration von Patienten wie Wittschier wird dadurch verstärkt, dass sie häufig auf Herangehensweisen wie Lumbalpunktionen und Cortisonbehandlungen stoßen – mit wenig bis gar keinem Erfolg.
Unterstützung und Forschung zu Seltenen Erkrankungen
Die Suche nach Lösungen wird durch Richtlinien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. Seit 2003 investiert das BMBF in die Forschung seltener Erkrankungen, inklusive 144 Millionen Euro in nationale Forschungsverbünde. Diese Initiative zielt darauf ab, durch die Schaffung und Anpassung von Förderrichtlinien die Forschung weiter zu intensivieren.
Die Medizininformatik-Initiative zielt darauf ab, bestehende Daten effizienter zu nutzen. So wird beispielsweise im Rahmen des European Joint Programme on Rare Diseases (EJP RD) mit 31 Forschungsförderern aus 23 Ländern zusammengearbeitet, um die international13e Erforschung seltener Erkrankungen voranzutreiben. Ein bedeutendes Ziel besteht darin, bis 2027 eine korrekte Diagnose innerhalb eines Jahres und 1.000 neue Therapieansätze zu entwickeln.
Auf nationaler Ebene existieren 36 Zentren, die sich auf die Behandlung seltener Erkrankungen spezialisieren und sich regelmäßig austauschen. Die Homburger Einrichtung erhält jährlich etwa 70 Anfragen von Patienten aus verschiedenen Regionen, darunter das Saarland, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. In einem Drittel der Fälle kann hier eine Diagnose gestellt werden, doch die Therapieoptionen bleiben oftmals begrenzt.
Die Rolle von Selbsthilfeorganisationen
Selbsthilfeorganisationen spielen eine entscheidende Rolle, indem sie Unterstützung für Betroffene bieten und ihnen eine Stimme verleihen. Am letzten Tag im Februar wird der weltweite Tag der Seltenen Erkrankungen begangen, um das Bewusstsein für diese Problematik zu schärfen. Aktionen an diesem Tag sollen die Öffentlichkeit Mobilisieren und den Betroffenen helfen, Gehör zu finden. Laut der EU-Definition gilt jede vierte weltweit bekannte Krankheit als selten, was den Druck zur Lösung dieser ernsthaften Herausforderung verdeutlicht.
Wittschier wünscht sich nichts mehr als einen normal funktionierenden Alltag, an dem er alles spüren und schmecken kann. Diese Sehnsucht spiegelt wider, was viele Betroffene empfinden – den Wunsch nach einer besseren medizinischen Versorgung, die mit ausreichenden Forschungsanstrengungen einhergehen sollte. Würde den Menschen mit seltenen Erkrankungen mehr Beachtung und Unterstützung zuteil, könnten vielleicht auch einige der 80 Prozent, die genetische Ursachen ihrer Erkrankung haben, neue Hoffnung auf eine geeignete Therapie bekommen.
Die Notwendigkeit, diese Erkrankungen intensiver zu erforschen und innovative Ansätze zu entwickeln, wird auch von der Erkenntnis gestützt, dass solche Forschungen nicht nur für seltene, sondern auch für häufigere Erkrankungen von Bedeutung sein können. Trotz der Herausforderungen, denen sich Forscher gegenübersehen, hat sich in den letzten Jahren viel bewegt, um den Betroffenen zu helfen und die medizinische Versorgung zu verbessern. Ein gemeinsames Verständnis von Patienten, Ärzten und Forschern ist unabdingbar, um diese Herausforderung erfolgreich zu bewältigen.
Weitere Informationen finden sich auf den Webseiten von ZVW, BMBF und dem BMBF Forschungsportal.