
Myriam Raboldt hat mit ihrem Buch „Schweigen, Scham und Männlichkeit“ ein oft übersehenes Thema ans Licht gebracht: Die Erfahrungen von cis Männern mit Genitalverletzungen und -amputationen.
Insbesondere Männer wie Hermann, der in seinen späten 50ern ist und eine Penisamputation hinter sich hat, leben oft in Stille. Sie ziehen sich aus der Gesellschaft zurück, ohne offen über ihre Schmerzen und Erfahrungen zu sprechen. Ähnlich ergeht es Marten, der sich als „impotent“ identifiziert und nie wirklich über seine Situation kommuniziert hat. Auch Alberto, der aufgrund von Peniskrebs eine Amputation vornehmen lassen musste, klagt über den Mangel an Plattformen zum Austausch mit anderen Betroffenen.
Psychosoziale Auswirkungen und gesellschaftliche Stigmatisierung
Raboldt beschäftigt sich in ihrer Dissertation über die psychosozialen Auswirkungen von Genitalverletzungen auf das Selbstwertgefühl von cis Männern. Ihr Forschungsergebnis zeigt, dass die gesellschaftliche Norm, potent zu sein, zu enormer Stille und Selbstzweifeln bei den Betroffenen führt. Trotz umfassender Recherchen war es herausfordernd, Männer zu finden, die bereit waren, ihre Geschichten zu teilen. Viele leiden an Depressionen und Suizidgedanken, was den Umgang mit ihren Problemen zusätzlich erschwert.
Ein auffälliges Beispiel von struktureller Stille findet sich in den Erfahrungen von US-Soldaten, die unter einem „Nicht-Wiederbelebungs-Pakt“ leiden, der im Falle von Genitalverletzungen besteht. Das bedeutet, dass die Fragilität der Männlichkeit als gesellschaftliches Geheimnis betrachtet wird, das nicht offen thematisiert werden darf. Raboldt kritisiert diese Unsichtbarkeit und die fehlende Sichtbarkeit von penislosen, potenzlosen cis Männern im Diskurs.
Ein subversives Projekt
Raboldt beschreibt ihr Buch als subversives Projekt, das den Blick auf Männlichkeit abseits von traditionellen Heldendarstellungen richten möchte. Die Unbesprechbarkeit der Verletzungen stellt ein zentrales Thema ihrer Forschung dar. Sie weist darauf hin, dass es bislang kaum Anlaufstellen oder Sichtbarkeit für das Thema cismännlicher Genitalverletzungen gibt. Dies führt nicht nur zu einem Mangel an Hilfsangeboten, sondern auch zu einer weiteren Isolation der Betroffenen.
Zusammenfassend zeigt Raboldt, dass es an der Zeit ist, das Tabuthema Genitalverletzungen bei Männern auf die Agenda zu setzen und eine offene Diskussion zu fördern. Ihre Arbeit ist ein wichtiger Schritt in Richtung Sichtbarkeit und Unterstützung für alle, die mit den Konsequenzen solcher Verletzungen kämpfen müssen.
Um den Gesundheitszustand von geflüchteten Personen in einem weiteren Zusammenhang zu beleuchten, nicht nur auf körperliche Verletzungen, sondern auch auf psychische Gesundheit, zeigen aktuelle Studien, dass bis zu 50% der geflüchteten Menschen an Traumafolgestörungen leiden. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf ihre Lebensqualität und erfordert besondere Aufmerksamkeit in der Unterstützung dieser Gruppen. Die Bandbreite der psychischen Störungen reicht von PTBS über dissoziative Störungen bis hin zu schweren Depressionen. Daher ist es entscheidend, sowohl körperliche als auch psychische Verletzungen in der gesellschaftlichen Diskussion anzusprechen und die bestehenden Unterstützungssysteme zu verbessern.
In dieser komplexen und oft schambesetzten Thematik sind es Stimmen wie die von Raboldt, die dazu beitragen, den Dialog zu öffnen und Betroffene zu ermutigen, ihre Erfahrungen zu teilen.
Für weitere Informationen über die psychosozialen Auswirkungen der Flucht und Trauma kann die Webseite von Baff-Zentren besucht werden: Baff-Zentren.
Lesen Sie mehr zu Raboldts Sichtweise über Genitalverletzungen bei Männern auf der Webseite der Technischen Universität Berlin: Technische Universität Berlin.