
Grönland steht nach den jüngsten Parlamentswahlen vor einem historischen Regierungswechsel. Der für seine Unabhängigkeitsbestrebungen bekannte grönländische Regierungschef Múte B. Egede hat seine zweite Amtszeit verloren. Seine Partei, Inuit Ataqatigiit (IA), wurde bei den Wahlen auf den dritten Platz verwiesen, hinter den zwei Oppositionsparteien Demokraatit und Naleraq, die als neue stärkste Kräfte im Parlament Initsisartut hervorgehen. Demokraatit erhielt 29,9 Prozent der Stimmen, was einem Plus von 9,1 Prozent im Vergleich zur letzten Wahl entspricht, während Naleraq 24,5 Prozent der Stimmen erzielte und damit eine schnelle Unabhängigkeit anstrebt. Zusammen haben die Regierungsparteien, IA und Siumut, lediglich 36 Prozent der Stimmen geholt – ein dramatischer Rückgang von 66,1 Prozent vor vier Jahren, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.
Egede hatte in der Vergangenheit für die vollständige Abspaltung von Dänemark plädiert, jedoch die Geschwindigkeit dieses Prozesses gedämpft. Die Abhängigkeiten von Dänemark sind trotz der umfassenden Autonomie Grönlands nach wie vor ein omnipräsentes Thema. Die USA haben Dänemark in der Vergangenheit mit gewaltsamen Drohungen bezüglich Grönlands Territorium unter Druck gesetzt, was die politische Landschaft erheblich beeinflusst hat. Inmitten dieser geopolitischen Spannungen könnte eine stabile Regierung in Nuuk notwendig sein, um Grönland eine eigene Stimme in internationalen Konflikten zu verleihen, so Rems Zeitung.
Herausforderungen und Chancen für die neue Regierung
Jens-Frederik Nielsen, der Vorsitzende von Demokraatit, wird als Wahlsieger gefeiert, da er plant, eine Koalition mit anderen Parteien zu bilden. Eine Zusammenarbeit mit der radikalen Unabhängigkeitspartei wird jedoch als problematisch angesehen, da Egede diese in der vorherigen Legislaturperiode aus der Regierung ausgeschlossen hatte. Nielsen selbst schließt ein Bündnis jedoch nicht aus und könnte somit eine Brücke zwischen den verschiedenen politischen Lagern schlagen.
Die Wahlbeteiligung betrug insgesamt etwa 40.000 Wähler. Dies zeigt, dass die Bevölkerung Grönlands aktiv um ihre politische Zukunft ringt.
Die Stärkung der Wirtschaft und das Versprechen von Steuersenkungen waren zentrale Themen im Wahlkampf von Nielsens Demokraten. Dies könnte nicht nur zur Stabilität der neuen Regierung beitragen, sondern auch die Lebensbedingungen der grönländischen Bevölkerung verbessern. Dank der weitreichenden Autonomie Grönlands, die seit 2009 das Recht auf Unabhängigkeit ermöglicht, könnte die neue Regierung tatsächlich in der Lage sein, den ersten Schritt in Richtung völliger Souveränität zu wagen.
Kulturelle Identität und Unabhängigkeit
Die Diskussion über Unabhängigkeit wird immer wieder von kulturellen und historischen Aspekten begleitet. Aki-Matilda Høegh-Dam, eine Abgeordnete aus Grönland, hat kürzlich im dänischen Parlament auf Grönländisch gesprochen und damit auf die Notwendigkeit hingewiesen, die grönländische Kultur und Identität zu respektieren. Dieses Verhalten wurde zwar von einigen als provokant empfunden, doch Høegh-Dam betont, dass die Verwendung des Dänischen ein Relikt aus der Kolonialzeit ist und eine Gleichbehandlung gefordert werden sollte.
Die gegenwärtigen Spannungen im dänisch-grönländischen Verhältnis wurden verstärkt durch Entscheidungen Dänemarks, die ohne grönländische Konsultation getroffen wurden. Um die Unabhängigkeit voranzutreiben, wird auch darüber diskutiert, ob ein Abkommen über eine freie Assoziierung mit Dänemark oder anderen Staaten eine mögliche Lösung darstellen könnte. Experten schätzen, dass Grönland innerhalb von fünf bis zehn Jahren ein solches Abkommen erreichen könnte.