
Die Warnungen vor einer angeblichen „Paracetamol-Challenge“ auf sozialen Medien, insbesondere auf TikTok, haben in den letzten Wochen für Aufsehen gesorgt. Berichte über vermeintliche Herausforderungen, bei denen Jugendliche übermäßige Dosen des weit verbreiteten Schmerzmittels Paracetamol einnehmen sollen, sind durch verschiedene europäische Medien und Ärzte verbreitet worden. Dennoch fehlen bis dato gesicherte Beweise für die Existenz eines solchen Trends. Focus berichtet, dass Experten wie der Verband Pharma Deutschland bereits am 6. Februar 2025 vor den Lebensgefahren einer übermäßigen Einnahme gewarnt haben. Diese kann zu irreversiblen Leberschäden oder sogar zum Tod führen.
Die Diskussion um die Herausforderung wurde zusätzlich durch einen tragischen Fall in den USA befeuert, bei dem ein 11-jähriges Kind an einer Paracetamol-Überdosis gestorben sein soll. Medienberichte aus mehreren Ländern nehmen immer wieder Bezug auf diese Geschichte, jedoch bleibt die Frage nach der tatsächlichen Verbreitung der „Challenge“ unbeantwortet. TikTok und Faktencheck-Seiten, wie Mimikama, betonen, dass sie keine belastbaren Beweise für die Challenge auf ihrer Plattform finden konnten.
Medienreaktion und Kontext
Im Internet zeigen Suchen zu diesem Thema meist Videos, die Sicherheitshinweise von Ärzten und Apothekern enthalten, jedoch keine Clips von Jugendlichen, die in riskanter Weise Paracetamol konsumieren. Die Studien von Faktenprüfern bestätigen, dass bis Mitte Februar 2025 keine stichhaltigen Belege für die Existenz einer solchen Challenge kamen. Dennoch bleibt eine gewisse Plausibilität, dass Einzelne durch Gerüchte und ältere Medikamenten-Challenges inspiriert werden und Paracetamol missbräuchlich einnehmen.
Die leichte Verfügbarkeit des Medikaments und die Geschichte gefährlicher Social-Media-Mutproben machen solches Verhalten denkbar. Ähnliche Warnungen, die im Jahr 2015 hinsichtlich einer Paracetamol-Challenge veröffentlicht wurden, fanden damals ebenfalls keinen signifikanten Nachweis für einen Trend. Dies wirft die Frage auf, ob die aktuelle Welle an Warnungen nicht eher übertrieben sind und auf vereinzelte Vorfälle reagieren.
Soziale Medien und Jugendliche
Der Diskurs über die „Paracetamol-Challenge“ öffnet zudem ein größeres Fenster zur Debatte über das Verhalten von Jugendlichen in sozialen Medien. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigen rund 11 % der Jugendlichen problematiche Verhaltensweisen im Umgang mit sozialen Medien, wobei Mädchen mit 13 % häufiger betroffen sind als Jungen (9 %). Besonders hervorzuheben ist, dass 36 % der Jugendlichen ständig online mit Freunden in Kontakt stehen, wobei der Anteil bei 15-jährigen Mädchen sogar 44 % erreicht.
- 34 % der Jugendlichen spielen täglich digitale Spiele.
- 22 % verbringen an Spieltagen mindestens 4 Stunden mit Spielen.
- 12 % der Jugendlichen sind durch problematisches Spielverhalten gefährdet, mehr Jungen (16 %) als Mädchen (7 %).
Problematische Mediennutzung wird häufig mit negativen Folgen, wie Schlafmangel und einem schlechten sozialen Wohlbefinden, in Verbindung gebracht. Dr. Hans Henri P. Kluge von der WHO fordert die Notwendigkeit von Medienkompetenz und geeigneten Maßnahmen, um Jugendliche bei verantwortungsbewussten Online-Aktivitäten zu unterstützen. Es besteht ein dringender Bedarf an altersgerechter und geschlechtersensibler Intervention.
Zusammenfassend ist es entscheidend, einen offenen Dialog über digitales Wohlbefinden in Familien und Schulen zu fördern. Schulungen für Pädagogen und Fachkräfte im Gesundheitswesen können zur Unterstützung digitaler Kompetenzen beitragen. Zudem plädiert die WHO für eine verantwortungsvolle Gestaltung digitaler Tools durch Plattformen und für die Durchsetzung von Altersbeschränkungen, um das Wohlbefinden der Jugendlichen langfristig zu sichern. Hier zeigt sich, dass eine verantwortungsvolle Nutzung von sozialen Medien und ein proaktiver Umgang mit möglichen Gefahren für die Gesundheit von zentraler Bedeutung sind.