
In der aktuellen Episode des Podcasts „Aha! Zehn Minuten Alltagswissen“ wird das Konzept des Nudging beleuchtet. Laut Welt steht Nudging für eine Methode, die das Verhalten von Menschen subtil beeinflusst, ohne dabei Verbote auszusprechen. Professor Gerd Gigerenzer, Psychologe und Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz an der Universität Potsdam, erklärt, wie das Prinzip in verschiedenen Lebensbereichen Anwendung findet, etwa im Supermarkt durch gezielte Produktplatzierungen.
Ein zentrales Merkmal von Nudging ist die Annahme, dass Menschen oft irrational entscheiden. Um diesen Entscheidungstrend zu korrigieren, sind sanfte Stupser nötig, die eine reflexive Kaufentscheidung oder ein bestimmtes Verhalten hervorrufen. Staaten nutzen solche psychologischen Mechanismen, um Bürger zu gewünschten Verhaltensweisen zu bewegen, was die Frage nach der Verantwortung und Autonomie des Individuums aufwirft.
Kritik am Nudging
Doch der Ansatz ist nicht ohne Kritik. Gigerenzer merkt an, dass Nudging meist keine langfristigen Effekte erzielt; die Menschen kehren häufig zu ihrem ursprünglichen Verhalten zurück, sobald die Stupser wegfallen. Dies wirft ein kritisches Licht auf das zugrunde liegende Menschenbild, welches davon ausgeht, dass Menschen kaum aus Fehlern lernen. Zudem besteht die Sorge, dass einer Abhängigkeit von externen Impulsen Vorschub geleistet wird, anstatt das eigene Urteilsvermögen zu stärken.
Eine zunehmend diskutierte Form des Nudging ist das sogenannte „Big Nudging“, das die Nutzung von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz zur psychologischen Steuerung umfasst. Gigerenzer plädiert für eine Alternative: die Stärkung der Risikokompetenz. Diese Fähigkeit befähigt Menschen, Informationen kritisch zu hinterfragen und fundierte Entscheidungen zu treffen, was beispielsweise durch die Einschränkung von Werbung für ungesunde Lebensmittel anstelle einer bloßen Platzierung gesunder Alternativen erreicht werden kann.
Der Kontext von Verhaltensänderungen
Die Thematik des Nudging lässt sich auch auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen übertragen. Insbesondere in Krisenzeiten, wie der Corona-Pandemie, sind veränderte Verhaltensweisen von zentraler Bedeutung. Laut Die Debatte haben Social-Media-Kampagnen wie #wirbleibenzuhause und #WirvsVirus gezeigt, wie moralische Appelle in der Öffentlichkeit wirken können. Die Forschung zu solchen Appellen ist allerdings oft auf Laborexperimente beschränkt und leidet unter der Problematik der Generalisierbarkeit.
Die aktuelle Pandemie wird unterschiedlich wahrgenommen im Vergleich zur Klimakrise. Während die Gesundheitskrise jeden direkt betrifft, wird die Klimakrise oft als fern und weniger drängend empfunden. Diese Wahrnehmung wird zusätzlich durch kurzfristige Profite und Lobbyarbeit gegen Klimathemen verstärkt. Gesundheitsminister Jens Spahn warnt bereits seit 2019 vor unzureichenden Vorbereitungen auf globale Krisen und weist darauf hin, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit Jahren Kurse zur Pandemievorbereitung anbietet – es handelt sich also nicht um ein Wissensproblem.
Die Herausforderungen sind vielfältig, darunter Biodiversitätsverlust, Ungleichheiten und bevorstehende wirtschaftliche Krisen. Um diese Probleme zu lösen, wird empfohlen, das Rahmenwerk der Globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Vereinten Nationen zu nutzen, um die Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Krisenszenarien besser zu verstehen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Nudging ein interessantes, aber auch umstrittenes Konzept ist, das in Zukunft kritisch begleitet werden sollte – gerade im Kontext der sich ständig verändernden gesellschaftlichen Herausforderungen.