
Im Zentrum eines anhaltenden Missbrauchsskandals steht das Kunstturnforum in Stuttgart, ein bedeutender Stützpunkt für das deutsche Frauenturnen. Seit dem Jahreswechsel wird der Standort von schweren Vorwürfen erschüttert, die sich gegen mehrere Trainer und das System richten. Die Sportministerin Theresa Schopper hat sich in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung geäußert und betont, dass Fördergelder für das Spitzenturnen in Stuttgart möglicherweise bald wieder freigegeben werden. Die Gelder wurden vorläufig eingefroren, um den Verbänden ein Druckmittel zu verschaffen, um notwendige Veränderungen herbeizuführen.
Der Schwäbische Turnerbund (STB) hat bereits erste Maßnahmen ergriffen, die als Fortschritt angesehen werden. Zwei Übungsleiter wurden freigestellt, und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg ermittelt gegen einen ehemaligen Trainer. Die schweren Vorwürfe beinhalten einen „systematischen körperlichen und psychischen Missbrauch“, sowie Drohungen, Demütigungen und die Durchführung von Straftrainings unter katastrophalen Bedingungen, wie mehrere ehemalige Athletinnen, darunter Tabea Alt und Michelle Timm, berichten. Alt hatte sich bereits 2021 in einem Brief an den Deutschen Turner Bund (DTB) und an den Schwäbischen Turnerbund gewandt, doch das Ministerium war nicht über diesen Brief informiert.
Aufarbeitung des Skandals
Sowohl der DTB als auch der STB haben eine Kanzlei aus Frankfurt am Main engagiert, um die neuen Vorwürfe aufzuarbeiten. Diese Schritte sollen helfen, das Vertrauen der Betroffenen in die Aufarbeitung wiederherzustellen. Ministerin Schopper hat in Bezug auf die Unterstützungsinitiative klargestellt, dass das Einfrieren der Mittel denjenigen galt, die nicht das Wohl der Athletinnen im Blick hatten. Der Schwäbische Turnerbund hat sich verpflichtet, die Aufarbeitung ernst zu nehmen und ein unabhängiges Expertengremium beim Landessportverband (LSV) einzurichten.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat zudem ein Ermittlungsverfahren wegen Nötigung gegen einen ehemaligen Trainer eingeleitet. In diesem Zusammenhang gab es mehrere Durchsuchungen, unter anderem in den Geschäftsräumen des DTB und des STB. Die Vorwürfe sind nicht nur auf Stuttgart beschränkt, sondern betreffen auch den Stützpunkt Mannheim, wo übergriffiges Verhalten und psychischer Druck an Athleten kritisiert werden.
Gesellschaftliche Relevanz und Maßnahmen
Der Fall verdeutlicht ein größeres Problem des sexuellen Missbrauchs und der Gewalt im Sport. Trotz eines positiven Bildes des Sports gibt es immer wieder Berichte über Machtmissbrauch, das Ausüben von Druck und psychische Gewalt. Betroffene Kinder und Jugendliche sind oft in einer sehr vulnerablen Position, da Täter leicht auf Vertrauen setzen und sich als Unterstützer einer Karriere präsentieren können. Eine Studie namens „Safe Sport“, die 2014 durchgeführt wurde, zeigt, dass über ein Drittel der befragten Leistungssportler sexualisierte Gewalt erlebt hat.
Politische Entscheidungsträger, wie der SPD-Generalsekretär Sascha Binder, haben Bedenken geäußert und fordern eine transparentere Kommunikation und Aufarbeitung durch die Verbände. Schopper hat klar gemacht, dass Missbrauch und Gewalt im Sport keinen Platz haben dürfen und die Ausbildung von Schutzkonzepten für Fördermittel des Bundesministeriums erforderlich ist.
In den kommenden Wochen werden die Fördergelder in sechs Tranchen ausgezahlt, wobei eine Rücksprache mit dem Landessportverband gehalten wird, um die bisherigen Maßnahmen zu überprüfen. Die Hoffnung ist, dass durch diese Schritte nicht nur das Vertrauen der Athletinnen in die Institutionen wiederhergestellt wird, sondern auch die Trainingsqualität nicht leidet und der Perspektive auf ein sicheres sportliches Umfeld Rechnung getragen wird.