
Ein internationales Forschungsteam, bekannt als MICrONS, hat kürzlich neuartige Modelle der Künstlichen Intelligenz (KI) entwickelt, um die Verarbeitung visueller Reize im Gehirn zu untersuchen. An dieser bahnbrechenden Forschung ist auch die Universität Göttingen beteiligt. Die Resultate dieser Studien wurden in hochrangigen Fachzeitschriften wie *Nature* und *Nature Communications* veröffentlicht.
In der Studie mit dem Titel „Foundation Model of Neural Activity Predicts Response to New Stimulus Types and Anatomy“ wird ein KI-Modell vorgestellt, das in der Lage ist, aus großen Datenmengen zu lernen. Hierbei wurden mehr als 135.000 Nervenzellen im Gehirn von Mäusen analysiert. Das Modell kann neuronale Reaktionen auf verschiedene visuelle Reize vorhersagen, einschließlich der Reaktionen auf neue und unbekannte Reizarten, wie Prof. Dr. Fabian Sinz erläutert.
Neurowissenschaftliche Erkenntnisse
Zusätzlich zu dieser Studie bietet eine weitere Untersuchung tiefere Einblicke in die Form und Struktur der Nervenzellen im visuellen Kortex. Die Studie „An unsupervised map of excitatory neurons’ dendritic morphology in the mouse visual cortex“ zeigt die enorme Vielfalt der Pyramidenzellen. Ein zentrales Ergebnis ist, dass diese Zellen fließende Übergänge zwischen verschiedenen Zelltypen aufweisen und nicht klar abgegrenzte Klassen bilden.
Die Forschung hat auch ein Verfahren des maschinellen Lernens zur Kodierung der dreidimensionalen Form dieser Nervenzellen hervorgebracht. Das MICrONS-Projekt umfasst zahlreiche renommierte Forschungseinrichtungen, darunter das Baylor College of Medicine, das Allen Institute for Brain Science und die Princeton University. Gemeinsam haben diese Institutionen den „MICrONS Multi-Area Datensatz“ erstellt, der die Struktur, Vernetzung und Antwortmerkmale von Nervenzellen dokumentiert. Dieser Datensatz stellt den größten seiner Art in einem Säugetiergehirn dar.
Ein weiterer bedeutender Fortschritt dieser Forschung ist die Fähigkeit, digitale Zwillinge der Nervenzellen zu erstellen, wodurch deren Form und Struktur zuverlässig vorhergesagt werden konnten. Diese Ergebnisse könnten nicht nur das Verständnis der Gehirnorganisation vertiefen, sondern auch neurowissenschaftliche Experimente effizienter gestalten, indem in-silico-Experimente ermöglicht werden, bevor praktische Versuche in vivo durchgeführt werden.
Künstliche Intelligenz im Hintergrund
Künstliche Intelligenz, ein Teilbereich der Informatik, beschäftigt sich mit der Entwicklung von Algorithmen, die menschliche kognitive Fähigkeiten nachahmen. Sie hat sich in den letzten 75 Jahren rasant entwickelt und umfasst Technologien wie maschinelles Lernen (ML) und Deep Learning. Diese Technologien sind in der Lage, große Datenmengen zu analysieren, Muster zu erkennen und darauf basierend Erkenntnisse zu gewinnen, was die Grundlage für Fortschritte in der neuronalen Forschung bildet.
Neuronale Netze, ein zentrales Element des maschinellen Lernens, sind inspiriert vom menschlichen Gehirn und bestehen aus vielen Schichten von Datenknoten, die durch gewichtete Verbindungen miteinander verknüpft sind. Dieser Prozess des „Trainings“ erfolgt durch wiederholte Datenpräsentation, bei der das Netzwerk lernt, Informationen besser zu verarbeiten und einzuordnen. Das erzeugte Modell kann anschließend auf unbekannte Daten angewandt werden.
Dennoch gibt es auch kritische Aspekte im Zusammenhang mit der Nutzung von KI. Die Qualität der Vorhersagen hängt stark von den Trainingsdaten ab. Fehlerhafte Daten können zu Fehldeutungen und Vorurteilen führen. Darüber hinaus werden die Herausforderungen wie Datenschutzprobleme und der steigende Energieverbrauch durch KI-Technologien zunehmend thematisiert. So berichtete Google beispielsweise von einem Anstieg der Treibhausgasemissionen um 48 % im Jahr 2019, der durch die KI-Trainings und Inferenzprozesse verursacht wurde.
Insgesamt bieten die Ergebnisse der MICrONS-Forschung nicht nur bedeutende Fortschritte im Verständnis der neuronalen Aktivität, sondern auch wichtige Einblicke in die vielseitigen Anwendungen von Künstlicher Intelligenz in der Wissenschaft.