
Die neueste Forschung zu menschlichem Verhalten zeigt, dass Unberechenbarkeit in bestimmten Entscheidungssituationen von Vorteil sein kann. Laut einer Studie von Tal Boger von der Johns Hopkins University und Sami Yousif von der University of North Carolina profitieren unter anderem Feldhasen, Elfmeterschützen und Verhandler von erratischem oder zufälligem Verhalten. Ein plötzlicher Richtungswechsel des Feldhasen hilft ihm beispielsweise, Jägern zu entkommen. Auch im Sport zeigt sich eine ähnliche Tendenz: Elfmeterschützen erzielen bessere Trefferquoten, wenn sie ihre Schussrichtungen variieren, statt sich auf eine Routine zu verlassen. Verhandler erzielen ebenfalls günstigere Ergebnisse, wenn sie sich in ihren Entscheidungen unangekündigt verhalten.
Die Forscher zeigen, dass menschliche Entscheidungen nicht nur von rationalen Überlegungen geprägt sind, sondern auch von einer individuellen Neigung zu zufälligem Verhalten. Dies deutet darauf hin, dass jeder Mensch einen persönlichen Zufallsgenerator in sich trägt, dessen Muster stabil sind wie andere Persönlichkeitsmerkmale. Diese Erkenntnis steht im Widerspruch zu den klassischen Theorien der Entscheidungspsychologie, die den Menschen als rationalen Entscheider darstellen. Tatsächlich zeigen frühere Studien, dass Menschen oft zu wenig Zufall und zu viel Regelmäßigkeit in ihren Entscheidungen vorweisen und dabei Wiederholungen meiden, was ihrer eigenen Zufallsintuition entgegensteht.
Unbewusste Entscheidungsprozesse
Menschen sind häufig nicht in der Lage, den eigenen Entscheidungsprozess vollständig zu durchschauen. Zu diesem Thema beschreibt die Entscheidungspsychologie, dass menschliches Entscheidungsverhalten oftmals von kognitiven Verzerrungen beeinflusst wird. Normative Entscheidungstheorien gehen davon aus, dass Entscheidungen rational getroffen werden, wenn die gewählte Handlungsalternative objektiv besser ist als andere Möglichkeiten. Diese Annahme wird jedoch durch die Erkenntnis infrage gestellt, dass viele Entscheidungen nicht auf einer umfassenden Abwägung der Vor- und Nachteile basieren.
Um nachvollziehen zu können, wie Entscheidungen entstehen, sind verschiedene Heuristiken von Bedeutung. Die Verfügbarkeitsheuristik, die Ankerheuristik und die Repräsentativitätsheuristik können dazu führen, dass Entscheider zu einseitigen Bewertungen gelangen und nicht alle relevanten Informationen berücksichtigen. Diese kognitiven Abkürzungen sind praktisch, aber sie führen häufig zu irrationalen Entscheidungen, sodass Menschen trotz besserer Optionen an Alternativen festhalten, in die sie bereits investiert haben, selbst wenn diese nicht mehr vorteilhaft sind.
Langfristige Konsistenz im Verhalten
Die von Boger und Yousif durchgeführte Studie belegt, dass Menschen auch über längere Zeiträume hinweg konsistente Verhaltensmuster zeigen. Selbst nach einer Pause von einem Jahr blieben ihre Entscheidungen in unterschiedlichen Aufgaben vergleichbar. Dies bedeutet, dass unser Verhalten in einem gewissen Rahmen berechenbar bleibt, trotz der Unberechenbarkeit, die uns in bestimmten Situationen von Vorteil bringen kann.
Diese Erkenntnisse erweitern unser Verständnis für Entscheidungsprozesse und zeigen, dass menschliches Handeln oft von Emotionen und unbewussten Mustern bestimmt wird, nicht ausschließlich von rationalen Überlegungen. Die Entscheidungspsychologie lehrt uns, dass weitreichende Entscheidungen nicht immer einfach zu treffen sind, da die Menschen häufig von ihrer Vergangenheit beeinflusst sind und nur unzureichend von vergangenen Erfahrungen auf zukünftige Situationen schließen können. Dies erklärt auch, warum es notwendig ist, feste Stopp-Regeln einzuführen, um uns vor irrationalen Entscheidungsprozessen zu schützen.
Insgesamt zeigen diese Entwicklungen, wie wichtig es ist, das Zusammenspiel von Zufall und bewusster Entscheidung zu verstehen, da es sowohl in der Natur als auch im menschlichen Verhalten oft um weit mehr geht als reine Rationalität. Diese Erkenntnisse können in zahlreichen Bereichen, von der Diplomatie bis hin zum Sport, von praktischer Bedeutung sein und dazu beitragen, Prozesse effektiver zu gestalten.