
Am 17. April 2025 startet ein neues Forschungsprojekt zur Analyse gerichtlicher Praktiken in deutschen Terrorismusprozessen. Das Projekt, das von den Universitäten Bielefeld, Köln und Marburg getragen wird, zielt darauf ab, die Verhandlungen gegen Angeklagte aus extrem rechtem und dschihadistischem Umfeld zu untersuchen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt dieses Vorhaben mit 1,2 Millionen Euro über drei Jahre, um die Verknüpfung von Ideologie, Identität, Interessen und Wissen in solchen Verfahren genauer zu erforschen. Dr. Kerstin Eppert und Viktoria Roth vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld leiten die Studie, die den programmatischen Titel „Terror verhandeln“ trägt.
Das Forschungsprojekt befasst sich intensiv mit der Rolle geschlechtlicher, religiöser und kultureller Zuschreibungen in Gerichtsverhandlungen. Frühere Studien haben verdeutlicht, dass gesellschaftliche Geschlechtervorstellungen einen signifikanten Einfluss auf die Wahrnehmung und Bewertung von Angeklagten haben. Gleichzeitig ist die Gerichtsforschung in Deutschland im internationalen Vergleich noch in den Kinderschuhen, was diesen Ansatz umso wichtiger macht. Die Einschätzungen und Emotionen, die während der Prozesse zum Tragen kommen, sind sehr vielfältig.
Mediale Einflussnahme auf die öffentliche Wahrnehmung
Ein zentraler Aspekt des Projekts ist die Einbeziehung der medialen Berichterstattung, die bereits bei anderen Hochexpressiven Gewalttaten wie Amokläufen oder Terroranschlägen eine entscheidende Rolle spielt. Diese Berichterstattung erfolgt oft emotional aufgeladen und kann Nachahmungstaten begünstigen, indem sie einen hohen Nachrichtenwert besitzt, der sich auf die Abweichung von gesellschaftlichen Normen stützt. Laut bpb.de ist die Visualität von Informationen, insbesondere über Social Media, ein weiterer Faktor, der zu einer unkritischen und oft vereinfachenden Berichterstattung führen kann.
Terroranschläge sind nicht nur brutale Gewaltakte, sondern auch strategische Kommunikationsmaßnahmen, die darauf abzielen, Angst in der Gesellschaft zu verbreiten. Es liegt auf der Hand, dass die Art und Weise, wie Medien solche Taten darstellen, die öffentliche Wahrnehmung stark beeinflussen kann. Die Verantwortung der Medienformate sollte darin bestehen, komplexe Motivationen darzustellen und die emotionalen, romantisierenden Darstellungen von Tätern zu vermeiden.
Methoden und Zielsetzungen der Forschung
Das Projekt „Judging Terror“ wird verschiedene Methoden anwenden, darunter Gerichtsethnographie und Grounded Theory für die Datensammlung und umfassende Inhaltsanalysen. Ferner werden die Verhandlungen vor Ort beobachtet und die begleitende Medienberichterstattung ausgewertet. Die Analyse erfolgt auf drei Ebenen: den direkten Interaktionen im Gerichtssaal, der Entstehung rechtlichen Wissens sowie der öffentlichen Wahrnehmung in den Medien.
Die Laufzeit des Forschungsprojekts erstreckt sich von Januar 2025 bis Dezember 2027. Die Ergebnisse sollen in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht und auf Fachkonferenzen vorgestellt werden. Das Team plant zudem eine enge Zusammenarbeit mit dem internationalen IN-COURT-Netzwerk, um die internationale vergleichende Forschung zu fördern.
Insgesamt verspricht dieses Forschungsprojekt nicht nur neue Einsichten in die Dynamiken von Terrorismusprozessen, sondern auch einen Beitrag zur verantwortungsvollen Berichterstattung in den Medien. Der Aufruf an Journalisten, den Fokus auf die gesellschaftlichen Auswirkungen anstelle auf die Biografien der Täter zu legen, könnte dabei entscheidend sein.
Für weitere Informationen zu den aktuellen Fragestellungen in der Terrorismusforschung bietet das Netzwerk Terrorismusforschung e.V. Workshops, die Fachleuten und Studierenden eine Plattform zur Diskussion und Vorstellung von Forschungsergebnissen bieten.