
Ein 56-jähriger Mann aus Ehingen im Alb-Donau-Kreis steht wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern vor dem Landgericht Ulm. Die Anklage wirft ihm vor, sexuellen Missbrauch an mindestens einem Kind, das erst drei Jahre alt war, mittels Online-Plattformen angeordnet und live verfolgt zu haben. Der Prozess begann am Gründonnerstag und findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, um die Privatsphäre der Opfer zu schützen. Der Angeklagte befindet sich seit seiner vorläufigen Festnahme im Oktober 2022 in Untersuchungshaft.
Das gerichtliche Verfahren folgt auf die Zerschlagung eines pädokriminellen Netzwerks auf den Philippinen, was internationale Ermittlungen erforderlich machte. Der Mann wird als mutmaßlicher Kunde einer Plattform identifiziert, die Live-Übertragungen sexueller Missbrauchshandlungen an Kindern anbot. Ihm wird vorgeworfen, sowohl 2009 als auch Anfang 2022 Geld für derartige Misshandlungen bezahlt zu haben. Berichten zufolge nutzte der Angeklagte den Chat, um Anweisungen für die Missbrauchshandlungen direkt zu erteilen oder um eigene Wünsche zu äußern.
Prozessdetails und Anklagepunkte
Im Rahmen des Prozesses soll auch ein Kind als Zeuge aussagen. Dies geschieht in einem Umfeld, das auf den Schutz der betroffenen Kinder sowie des Angeklagten ausgerichtet ist. Der Vorsitzende Richter begründete den Ausschluss der Öffentlichkeit auf Antrag der Verteidigung mit dem Schutz der Intimsphäre beider Parteien. Zum Vorwurf gehört nicht nur der sexuelle Missbrauch, sondern auch die Anstiftung dazu in kinderpornographischer Absicht. Der Angeklagte wird zudem beschuldigt, Aufnahmen des Missbrauchs gespeichert zu haben.
Die betroffenen Kinder, die auf den Philippinen lebten, sind mittlerweile von den dortigen Behörden in Obhut genommen worden. Laut Staatsanwaltschaft wurden die Missbrauchshandlungen teilweise live übertragen oder als Aufzeichnungen an die Wohnanschrift des Mannes in Ehingen gesendet. Der Haftbefehl wurde durch das Cybercrime-Zentrum Baden-Württemberg erwirkt, gestützt auf Hinweise ausländischer Strafverfolgungsbehörden.
Der Kontext des Kindesmissbrauchs
Die besorgniserregende Zunahme von Kindesmissbrauch wird auch von anderen Stellen beobachtet und thematisiert. Kerstin Claus, die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, hat die Polizeiliche Kriminalstatistik 2022 als „erschreckend“ bezeichnet und auf den Anstieg von Missbrauchsdarstellungen im Internet hingewiesen. Diese Statistiken zeigen, dass 48 Kinder pro Tag Opfer sexueller Gewalt werden. Der Bericht von Claus hebt die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen zur Bekämpfung von digitaler Gewalt hervor.
Zusammen mit der Bundesregierung wurde bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um den Kinderschutz zu verbessern. Dazu gehören die Verschärfung des Strafrechts und ersichtlich auch die verstärkte Aufklärung über die Gefahren im Internet und dabei insbesondere in Klassenchats, wo viele minderjährige Nutzer oft aus digitaler Naivität handeln, ohne sich der möglichen Straftaten bewusst zu sein.
Das Verfahren gegen den 56-jährigen Mann in Ulm verdeutlicht die Dringlichkeit, mit der diese Themen angegangen werden müssen. Denn die Dunkelziffer der Täter und Opfer ist wahrscheinlich deutlich höher, als es die registrierten Fälle vermuten lassen.
Für betroffene Personen oder Angehörige gibt es Hilfsangebote, die unter der Nummer 0800 22 55 530 anonym und kostenfrei erreichbar sind.
Mehr Informationen zu den aktuellen Entwicklungen in diesem Fall können bei Schwäbische und Tagesschau nachgelesen werden.