
Europa plant, die militärische Abschreckung gegenüber Russland erheblich zu stärken, insbesondere als Reaktion auf die Invasion der Ukraine. Die aktuelle geopolitische Lage zwingt die europäischen Länder dazu, ihre Rüstungsausgaben zu erhöhen. Dabei wird jedoch betont, dass nicht nur die Höhe der Ausgaben entscheidend ist, sondern auch die tatsächlichen militärischen Kapazitäten, die bereitgestellt werden können. In einigen Bereichen, insbesondere in der Luftwaffe, sind europäische Streitkräfte Russland sogar überlegen. In anderen jedoch bestehen jedoch erhebliche Lücken, die es zu schließen gilt, um die Verteidigungsfähigkeit zu verbessern. WELT berichtet über die Herausforderungen, vor denen Europa steht.
Ein zentrales Thema in dieser Debatte ist der Einsatz von Drohnen. Diese haben sich im Ukraine-Krieg als entscheidendes militärisches Instrument etabliert. Besonders preiswerte Einwegdrohnen sind gefragt, während hochentwickelte teure Modelle in den Hintergrund treten. Russland nutzt bereits Langstreckendrohnen des Typs Schahed in großem Stil und produziert jährlich etwa 10.000 dieser Drohnen mit einer geplanten Ausweitung der Produktion auf 500 pro Tag. Angesichts dieser Bedrohung untersucht die Europäische Union Möglichkeiten zur Massenproduktion von Einwegdrohnen, wobei Frankreich bereits plant, 2000 einheimische Drohnen in Dienst zu stellen.
Versorgungslücken bei Munition
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Rücklage von Munition für einen artillerie-geführten Krieg. Die EU steht vor der Herausforderung, dass ihre Munitionsvorräte nicht ausreichen. In diesem Jahr sollen lediglich zwei Millionen Artilleriegeschosse in der EU produziert werden, wovon ein erheblicher Teil an die Ukraine geht. Während Russland schätzungsweise 250.000 Artilleriegranaten pro Monat produziert, sind die europäischen Produktionskapazitäten, gerade in Hinblick auf Luftabwehrraketen, stark eingeschränkt. Im letzten Jahr stellte Deutschland beispielsweise nur 500 IRIS-T-Raketen her. Ein gemeinsames Luftverteidigungssystem, die European Sky Shield Initiative, ist in Planung, jedoch stark von Importen abhängig.
Zusätzlich besteht die Herausforderung, dass Europa wenig Möglichkeiten hat, russischen Raketen und Marschflugkörpern entgegenzuwirken. Russland produziert jährlich rund 1200 Marschflugkörper und 400 ballistische Raketen, die nahezu ganz Europa erreichen können. Die europäischen Staaten haben bislang eine bescheidene Produktionskapazität, gefolgt von einer großen Abhängigkeit von amerikanischen Waffensystemen. Dies verdeutlicht die Dringlichkeit von Projekten wie ELSA, die die Entwicklung einheimischer Waffen mit einer Reichweite von bis zu 2000 Kilometern zum Ziel hat.
Langfristige Strategien und Herausforderungen
Ursula von der Leyen plant, etwa 800 Milliarden Euro zur Aufrüstung Europas zu mobilisieren. Diese Entscheidung erfolgt vor dem Hintergrund der Unsicherheit bezüglich der künftigen Unterstützung der USA für Osteuropa, insbesondere nach dem Stopp der US-Militärhilfen für die Ukraine. Experten wie Jean-Jacques Roche warnen jedoch, dass Geld allein nicht ausreichen wird, um die europäische Rüstungsindustrie wettbewerbsfähig zu machen. Die Industrie ist nicht in der Lage, schnell genug zu liefern, während gleichzeitig die Banken zurückhaltend sind, wenn es um Kreditvergabe an Rüstungsunternehmen geht.
Die industrialisierte Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedsstaaten ist ein weiterer kritischer Punkt. Damit die EU in der Lage ist, mit Russland gleichzuziehen, sind umfassende Modernisierungen der Industrieanlagen erforderlich. Der Vergleich der Verteidigungsausgaben zeigt, dass die USA jährlich etwa 800 bis 900 Milliarden Euro für ihre Verteidigung aufwenden, während die EU, obwohl sie über die finanziellen Mittel verfügt, diese nicht effektiv umsetzen kann. ZDF ergänzt, dass die EU nicht nur in quantitativen, sondern auch in qualitativen Aspekten ihrer militärischen Fähigkeiten nachbessern muss, um künftigen Bedrohungen wirksam zu begegnen.