
In der jüngsten Diskussion um die Geburtsversorgung in Deutschland hat Dr. Martina Gropp-Meier, Chefärztin der Frauenklinik in Ravensburg, besorgniserregende Prognosen für schwangere Frauen abgegeben. Ab dem 1. November 2023 dürfen freiberufliche Hebammen in Kliniken für die gleiche Arbeit nur noch ein Drittel weniger verdienen, was laut Gropp-Meier gravierende Konsequenzen für die Hebammenversorgung haben könnte. Sie äußert Bedenken, dass viele Hebammen aufgrund der veränderten Vergütungsmodalitäten ihren Beruf aufgeben könnten, was die Ersatzbeschaffung in dieser wichtigen Branche zusätzlich erschwert.
Um die Versorgung zu sichern, setzen Kliniken in Lindau, Wangen, Tettnang und Friedrichshafen zunehmend auf Beleghebammen. Das Klinikum in Friedrichshafen beschäftigt zudem zusätzlich angestellte Hebammen. Diese Maßnahmen sollen helfen, die aktuell bestehenden Versorgungsengpässe zu kompensieren. Die Situation ist angespannt, da Hebammen, die Hausgeburten betreuen, zwar künftig mehr verdienen könnten, jedoch die neuen Regelungen für Beleghebammen viele Existenzängste hervorrufen.
Änderungen in der Vergütungsordnung
Gropp-Meier kritisiert die neue Gebührenordnung, die vorsehen soll, dass Beleghebammen lediglich 80% der Fallpauschale von Krankenkassen für die Betreuung einer Geburt erhalten. Für jede zusätzliche Geburt, die sie simultan betreuen, gibt es 30% zusätzlich – und das nur für eine Stunde. Ab der vierten Geburt würden Beleghebammen dann völlig ohne Entlohnung arbeiten müssen, während sie dennoch die volle Verantwortung tragen.
Diese neuen Regelungen könnten dazu führen, dass Kreißsäle schließen müssen, was längere Fahrwege für schwangere Frauen zur Folge hätte. In Deutschland haben Schwangere gemäß dem Sozialgesetzbuch, Paragraf 24d, einen gesetzlichen Anspruch auf Hebammenhilfe. Der Spitzenverband der Krankenkassen hingegen sieht in dem neuen Vergütungsmodell eine positive Entwicklung, da es eine Eins-zu-eins-Betreuung fördere.
Die Herausforderungen für Hebammen
Die neue Gebührenverordnung wurde den freiberuflichen Hebammen jedoch noch nicht schriftlich vorgelegt, was eventuell juristische Anfechtungen nach sich ziehen könnte. Zudem müssen freiberufliche Hebammen von ihrer Vergütung auch ihre Berufshaftpflichtversicherung bezahlen, die für viele etwa 600 Euro jährlich beträgt. Geburtshelfer, die aktiv in der Geburtshilfe tätig sind, müssen sogar mit jährlich fünfstelligen Beträgen rechnen, die ab Juli auf rund 13.300 Euro ansteigen werden.
In einer bundesweiten Bestandsaufnahme zur Hebammenversorgung wird auf erhebliche Engpässe in der Geburtsversorgung hingewiesen, insbesondere in Großstädten. Viele Hebammen zeigen sich unzufrieden mit ihrer beruflichen Situation, was sie dazu veranlasst, einen Berufsausstieg zu erwägen. Dennoch ist die Mehrheit der Mütter mit der erhaltenen Hebammenbetreuung nach wie vor zufrieden. Die Notwendigkeit politischer Einflussnahme zur Verbesserung der Geburtshilfe ist aus Sicht von Gropp-Meier dringlich.