
Das Tuttlinger Amtsgericht hat kürzlich entschieden, dass die Alternative für Deutschland (AfD) einem Bürger keine Wahlwerbung mehr in den Briefkasten legen darf. Dieser Schritt folgt einer Klage des besagten Bürgers gegen den Kreisverband Rottweil/Tuttlingen der AfD, die vor einigen Monaten in der Stadt für Aufregung sorgte. Der Fall wurde unter der Leitung von Zivilrichterin Natascha Kühnle verhandelt, die beide Seiten anhörte und Fragen stellte.
Der Bürger hatte im Mai oder Anfang Juni letzten Jahres einen Flyer der AfD in seinem Briefkasten gefunden, obwohl er ein Schild angebracht hatte, das Werbung und kostenlose Zeitungen ausschloss. Der Flyer, der von Kreissprecher Emil Sänze erstellt wurde, kam in der Öffentlichkeit nicht gut an, da der Kläger sich durch die Werbung genervt fühlte und klarstellte, dass er nicht als „Altpapier-Entsorger“ fungieren wolle. Im Laufe des Verfahrens stellte der Rechtsanwalt der AfD, Joachim Bloch, den Kläger als „Gewerkschaftsaktivisten des DGB“ dar und hinterfragte, warum dieser nicht direkt Kontakt mit dem Kreisverband aufgenommen habe.
Vergleich und rechtliche Klärung
Bei der Verhandlung stellte der Kläger jedoch klar, dass der Flyer keine Kontaktinformationen enthalten hatte und er eine schriftliche Regelung bevorzugte. Bloch wies daraufhin darauf hin, dass die AfD zu diesem Zeitpunkt kein Wahlmaterial verteilt habe. Letztlich einigten sich beide Parteien auf einen Vergleich, der besagt, dass die AfD es künftig unterlässt, dem Kläger Wahlwerbung zukommen zu lassen. Interessanterweise enthält der Vergleich die juristische Floskel „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“. Es blieb unklar, wer genau den umstrittenen Flyer in den Briefkasten gesteckt hatte. Der gesamte Prozess dauerte knapp eine Stunde.
Diese Entscheidung kommt in Zeiten, in denen die AfD in Karlsruhe plant, 30.000 „Abschiebetickets“ als Wahlwerbung zu verteilen. Diese Tickets sehen aus wie echte Flugtickets und richten sich an „illegale Einwanderer“. Der Abflugort soll Deutschland sein, während das Ziel als „sicheres Herkunftsland“ angegeben ist. Die Aktion hat bereits Empörung in Baden-Württemberg ausgelöst und führt zu Ermittlungen der Polizei wegen des Verdachts auf Volksverhetzung. Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) äußerte seine Besorgnis und erklärte, „hier ist eine Grenze überschritten“, wobei er betonte, dass Migranten sich durch diese Art der Werbung verunglimpft fühlen könnten.
Gesellschaftliche Reaktionen
Der Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen in Baden-Württemberg hat die Wahlwerbung klar verurteilt. Geschäftsführerin Argyri Paraschaki-Schauer berichtete von einer zunehmenden Beunruhigung unter Migranten, während der deutsch-syrische Bürgermeister Ryyan Alshebl kritisierte, dass selbst Parteien der Mitte das Negativ-Narrativ der AfD übernehmen würden. Dies trägt zu einer schlechten Stimmung bei gut integrierten syrischen Bürgern bei, die bereits darüber nachdenken, Deutschland zu verlassen.
Insgesamt zeigen diese Fälle, wie stark die Wahlwerbung der AfD in der öffentlichen Wahrnehmung und auf der politischen Agenda diskutiert wird. Während die Gerichte sich mit Beschwerden von Bürgern auseinandersetzen, gibt es gleichzeitig eine breitere gesellschaftliche Empörung über die politischen Methoden der AfD, die nicht nur rechtliche, sondern auch tiefgehende soziale Implikationen haben.