
Das Verhalten von Fischschwärmen fasziniert Forscher, insbesondere seit der Entwicklung innovativer Methoden, die dabei helfen, die komplexen Mechanismen hinter diesen kollektiven Bewegungen zu entschlüsseln. In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftler des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten der Universität Konstanz und des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie eine neue 3D-Eyetracking-Methode entwickelt, um die Augenbewegungen von frei schwimmenden Fischen zu analysieren. Diese nicht-invasive Technik erfordert keinerlei Eingriffe am Tier und eröffnet neue Perspektiven zur Untersuchung des Schwarmverhaltens, wie Uni Konstanz berichtet.
Die Methode basiert auf Videoaufnahmen, bei denen Bewegungen der Fische mithilfe von mindestens zwei Kameras verfolgt werden. Anschließend werden die aufgenommenen Daten durch Computer Vision analysiert. Dieses Verfahren ermöglicht es den Forschern, das Sehfeld der Fische zu rekonstruierten, indem die 3D-Körperpose und die genaue Augenposition erfasst werden. Eine erste Analyse zeigte, dass Goldfische ihre Augenbewegungen anpassen, um das Bild eines vorausschwimmenden Artgenossen zentral in ihrer Netzhaut zu halten. Auffällig sind auch Phänomene wie die „negative Synchronisierung“, bei der sich die Augen der Fische in entgegengesetzte Richtungen bewegen.
Kollektives Verhalten und Informationsverarbeitung
Diese neu entdeckten Verhaltensweisen sind nicht nur für die Fischschwärme von Bedeutung, sondern eröffnen auch Einblicke in allgemeine Prinzipien des kollektiven Verhaltens, die vielfältige Tierarten betreffen. Der Direktor des Projekts, Professor Pawel Romanczuk von der Humboldt-Universität zu Berlin, erläutert, dass die Dynamik von Fischschwärmen einem kritischen Zustand ähnelt, in dem Ordnung und Chaos koexistieren. Ähnlich wie ein menschliches Gehirn, das aus rund 86 Milliarden Neuronen besteht, die Informationen als Spannungsimpulse verarbeiten, verhält sich der Fischschwarm als ein erregbares System, das Umweltreize effizient verarbeitet und über weite Strecken kommuniziert, wie IGB Berlin ergänzt.
Die Forschungen an Fischschwärmen, speziell an der Art der Schwefelmollys, zeigen spannende Verhaltensmuster wie Wellenbewegungen, die der Verwirrung angreifender Vögel dienen und die Alarmbereitschaft innerhalb des Schwarms erhöhen. Diese komplexen Interaktionen zwischen den Tieren sind künstlerisch und effektiv, was den Forschern Aufschluss über grundlegende Prinzipien der kollektiven Dynamik geben kann.
Interdisziplinäre Ansätze und zukünftige Forschungen
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereich des kollektiven Verhaltens, wie vom Max-Planck-Institut etabliert, untersucht nicht nur tierische Schwärme, sondern auch die Wechselwirkungen zwischen Zellen und komplexen Systemen, die in menschlichen Gesellschaften beobachtet werden können. Wichtige Erkenntnisse könnten zur Lösung grundlegender Fragestellungen hinsichtlich Koordination und Evolution in sozialen Systemen beitragen, wie es Max-Planck-Gesellschaft zusammenfasst.
In den kommenden Experimenten wird es entscheidend sein, herauszufinden, ob die beobachteten Phänomene der Augenkoordination auch bei anderen Fischarten auftreten und welche Variablen das kollektive Verhalten beeinflussen. Das Verständnis der Mechanismen, die hinter diesen ausgeklügelten Interaktionen stehen, könnte weitreichende Konsequenzen für die Forschung über kollektives Verhalten und Informationsverbreitung in der Natur haben.