
In Deutschland ist es seit November 2022 einfacher geworden, den Eintrag des eigenen Geschlechts zu ändern. Dies hat zu einem Anstieg der entsprechenden Anträge geführt. Hunderte Menschen, darunter die 18-jährige Lio Titos aus Laichingen, haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Lio änderte seinen im Standesamt registrierten Geschlechtseintrag von weiblich zu männlich.
Die offizielle Namensänderung von Leonie zu Lio wurde am 5. November 2022 vorgenommen. Schon als Kind fühlte sich Titos unwohl mit seinem Geschlecht, zog männliche Rollen vor und trug kurze Haare. In der Pubertät erlebte er ein starkes Unwohlsein, das sich in Essstörungen und dem Abkleben seiner Brüste äußerte. Während die Eltern anfangs Schwierigkeiten hatten, Titos‘ Gefühle zu akzeptieren, unterstützten sie ihn später bei seiner Identitätsfindung.
Das Selbstbestimmungsgesetz und seine Auswirkungen
Das neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG), das am 1. November 2024 in Kraft tritt, wird die rechtlichen Prozesse zur Änderung des Geschlechtseintrags weiter vereinfachen. Laut dem BMFSFJ erübrigt das Gesetz die Notwendigkeit von Gutachten und gerichtlichen Entscheidungen. Personen können durch eine einfache Erklärung beim Standesamt ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern.
Vor der Einführung dieses Gesetzes mussten zahlreiche Personen bei der Änderung des Geschlechtseintrags langwierige und kostspielige Verfahren durchlaufen. Die neue Regelung wird auch das Transsexuellengesetz ersetzen, welches seit 1980 galt und als verfassungswidrig eingestuft wurde. Das SBGG ermöglicht eine selbstbestimmte Anpassung des Geschlechtseintrags ohne die vorherigen medizinischen Nachweispflichten.
Statistik und gesellschaftliche Relevanz
Lio Titos ist Teil eines wachsenden Trends. Im November 2022 ließen in Baden-Württemberg 641 Menschen ihren Geschlechtseintrag ändern, gefolgt von 305 im Dezember. Zum Vergleich: Von Januar bis Oktober 2022 gab es nur 51 Anträge, und 2023 waren es 12. Dies verdeutlicht die immense Bedeutung der gesetzlichen Reform für die Lebensrealität von transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen.
Titos nimmt seit mehreren Monaten männliche Hormone und plant eine Brustentfernung. Mit der Inkraftsetzung des SBGG wird erwartet, dass die Anträge auf Geschlechtseintrag-Änderungen nach einem anfänglichen Anstieg abnehmen. Dies erwartet selbst das Sozialministerium in Stuttgart. Derzeitige Schätzungen sprechen von 4.000 bis 15.000 Änderungen pro Jahr, wobei auch Minderjährige unter bestimmten Bedingungen ihren Geschlechtseintrag ändern können.
In vielen anderen Ländern der Welt, wie in den USA, Argentinien und Dänemark, gibt es bereits ähnliche Gesetze zur Selbstbestimmung. Diese Bewegung für mehr Rechte und Akzeptanz zeigt, wie wichtig es ist, dass Menschen sich in ihrer Identität frei entfalten können. Der LSVD hebt hervor, dass global die rechtliche Lage von trans* und nicht-binären Menschen variabel ist und oft mit diskriminierenden Bedingungen verbunden ist. In Deutschland jedoch wird zunehmend der Schritt in Richtung Menschenrechte und persönliche Selbstbestimmung vollzogen.
Titos selbst berichtet, dass es ihm gut geht und er sich nun in seiner Haut akzeptiert fühlt. Die neue Regelung ist ein entscheidendes Stück auf dem Weg zu mehr Gleichheit und Akzeptanz in der Gesellschaft.