
In den letzten Monaten hat sich die Debatte um sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz in der Gesundheitsbranche verschärft. Eine aktuelle Umfrage an den Universitätskliniken in Baden-Württemberg zeigt alarmierende Ergebnisse: Tausende von Beschäftigten haben Berichte über sexualisierte Belästigung erstattet. Laut der SWR gaben etwa drei Viertel der 2.500 Befragten an, mindestens einen Vorfall im Berufsleben erlebt zu haben. Über ein Drittel berichtete zudem, in den letzten zwölf Monaten belästigt worden zu sein.
Die Umfrage, die fast 10.000 Mitarbeiter der Universitätskliniken Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm einschloss, zeigt, dass Frauen signifikant häufiger betroffen sind als Männer. Insbesondere Mediziner und Pflegekräfte waren überproportional von Belästigung betroffen im Vergleich zu Verwaltungs- oder Wissenschaftsmitarbeitern. Verbale sexuell motivierte Angriffe, wie abwertende Kommentare und Witze, wurden als die häufigste Form identifiziert, wobei über 70% der Pflegekräfte angaben, von Patientinnen und Patienten belästigt worden zu sein.
Kampagne gegen sexualisierte Belästigung
Um dem Problem entgegenzuwirken, haben die vier baden-württembergischen Unikliniken eine gemeinsame Kampagne ins Leben gerufen. Diese Initiative zielt darauf ab, alle Formen sexualisierter Belästigung am Arbeitsplatz zu eindämmen und das Bewusstsein für grenzüberschreitendes Verhalten zu schärfen. Frederick Wenz, der Leitende Ärztliche Direktor der Uniklinik Freiburg, hebt die Verantwortung der Arbeitgeber hervor, ein sicheres Arbeitsumfeld zu gewährleisten.
Angelika Zimmer, Beauftragte für Chancengleichheit, betont, dass alle Betroffenen Anspruch auf Unterstützung haben. Im Rahmen der Kampagne werden verschiedene Aktionen durchgeführt, darunter Schaufensterpuppen mit Handabdrücken sowie Postkarten mit QR-Codes, die Hilfsangebote bereitstellen. Eine zentrale Ressource zur Informationsbeschaffung wird auf einer gemeinsamen Landing-Page für alle Mitarbeiter bereitgestellt, wie die Healthcare in Europe berichtet.
Psychologische Auswirkungen und rechtliche Rahmenbedingungen
Die psychologischen Folgen von sexualisierter Belästigung können gravierend sein. Gemäß einer Untersuchung, die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlicht wurde, berichten 41% der betroffenen Frauen und 27% der Männer von starken psychischen Belastungen. Über 40% der Beschäftigten waren sich der existierenden betrieblichen Beschwerdestellen für Diskriminierung und sexuelle Belästigung nicht einmal bewusst. Arbeitgeber sind jedoch gesetzlich verpflichtet, solche Stellen einzurichten, um die Betroffenen zu unterstützen.
Die Umfrage der Unikliniken, angestoßen von Prof. Dr. Jörg M. Fegert, basiert auf den Ergebnissen von 2022 und soll zur Schaffung von Schutzkonzepten in Kliniken beitragen. In einer Zeit, in der das Gesundheitssystem von ausgeprägten Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen geprägt ist, erlangt die Diskussion um sexualisierte Belästigung zunehmend an Bedeutung. Prof. Dr. Vera Clemens, stellvertretende Ärztliche Direktorin am UKU, verdeutlicht, dass solche Belästigungen oft auch Macht- und Kontrollausübung beinhalten.
Die vorliegenden Ergebnisse sind ein eindringlicher Appell zur Etablierung eines respektvollen und sicheren Arbeitsklimas in der Gesundheitsbranche, in dem sexualisierte Belästigung keinen Platz hat.