
Am 15. Januar 2025 hielt Dr. Richard Drayton an der Leuphana Universität eine bemerkenswerte Vorlesung über die Wurzeln des Kapitalismus und den Einfluss europäischer Frühkapitalisten auf die globale Wirtschaftsstruktur. In seiner Analyse schilderte Drayton zwei grundlegende Perspektiven zur Erklärung des Kapitalismus: den Blick nach innen, der die Transformationen innerhalb einzelner Gesellschaften betrachtet, und den Blick nach außen, der den Einfluss von Imperien und globalen Verflechtungen auf die Weltstruktur untersucht. Diese Perspektiven kombinierend, beleuchtet er die Vielzahl an Faktoren, die zur Entstehung eines globalen Kapitalismus führten.
Drayton verweist auf bedeutende Theorien, die das Verständnis des Kapitalismus prägen, darunter die von Max Weber, der den kulturellen Kontext betont, und Eric Williams, der die innerlich entstandenen Faktoren in Europa analysiert. Er stellt fest, dass die Entwicklungen in der Wirtschaftsstruktur und die globalen Handelsbeziehungen bereits vor 1500 existierten. Insbesondere die deutschen Fugger und Franzosen spielten eine Schlüsselrolle in diesem Prozess.
Die Rolle der Fugger
Die Familie Fugger wird als prägend für die ökonomische Landschaft Europas um 1500 hervorgehoben. In der Vorlesung wird klar, dass Jakob Fugger und seine Brüder ernstzunehmende Konkurrenz zur Hanse bildeten und den Kupfer- und Silberhandel dominierten. Ihre Handelspraktiken umspannten ein umfangreiches Netzwerk in Nord- und Mitteleuropa, was entscheidend zur Schaffung ihrer Handelsmacht beitrug.
Besonders für die Sklaven- und Zuckerindustrie in der Neuen Welt beschleunigten die Fugger den Seehandel und verlagerten das Zentrum der Kapitalakkumulation von Mitteleuropa in die atlantischen Regionen. Der Einfluss der Fugger erstreckte sich bis nach Skandinavien und Italien, was sie zu bedeutenden Akteuren im europäischen Handelsgeschehen machte. Diese Veränderungen führten zur Entstehung bedeutender Handelszentren wie Nürnberg und Antwerpen, die sich als Knotenpunkte im internationalen Handel etablierten.
Handel und Technologie im Wandel
Der Handel im Ostseeraum, der besonders von Hansestädten wie Stralsund geprägt wurde, florierte und beinhaltete Waren wie Salz, Pelze und asiatische Textilien. Diese transregionalen Verbindungen schufen neue Märkte, auch für versklavte Menschen. Zudem wurden Technologien und Institutionen, die entscheidend für den Kapitalismus wurden, bereits im Mittelalter von italienischen Handelsstädten wie Genua und Venedig entwickelt. Die Grundlagen modernen Bankwesens und der Buchhaltung erwuchsen aus diesen frühen Handelspraktiken.
Draytons Analyse zeigt eindrucksvoll, dass der Kapitalismus in einem komplexen Geflecht aus lokalen und globalen Prozessen verwurzelt ist. Interessanterweise veränderte der Fernhandel nach 1500 die innere Geographie Europas grundlegend, wodurch die dynamischen Zentren der Kapitalakkumulation von Mitteleuropa zur atlantischen Peripherie wanderten. Diese Veränderungen brachten nicht nur Wachstum, sondern auch eine Provinzialisierung ehemals zentraler Regionen wie des Ostens mit sich.
Zusammenfassend erklärt Drayton, dass der Aufstieg Europas das Ergebnis eines vielschichtigen Zusammenspiels von Handel, Eroberung und Transformation war. Die Fortschritte im Kapitalismus und die Rolle der Fugger sind Teil dieser fesselnden Geschichte, die weiterhin das Verständnis unserer globalisierten Welt prägt. Die Einblicke, die Drayton in seiner Vorlesung lieferte, sind somit nicht nur von historischer Bedeutung, sondern auch für das Verständnis wirtschaftlicher Dynamiken heute relevant.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie bei Leuphana Universität und Das Wissen.