Ganztagsschulen stehen im Fokus der Bildungsdebatte in Deutschland. Eine aktuelle Studie von Dr. Juliana Gras und Dr. Thomas Wiedenhorn, die im Rahmen der Fach Erziehungswissenschaft an der PH Weingarten durchgeführt wurde, erörtert das Potenzial von Ganztagsschulen zur Förderung von Bildungsgerechtigkeit, speziell für benachteiligte Kinder. Die Studie, die im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) erstellt wurde, untersucht die Auswirkungen der Ganztagsgrundschule auf die Bildungsgerechtigkeit in Baden-Württemberg und präsentierte die Ergebnisse kürzlich in Weingarten.
Im Rahmen der Studie wurden zahlreiche Interviews mit Lehrpersonen, pädagogischen Fachkräften und Vertretern aus Bildungsverwaltung sowie kommunalen Trägern geführt. Die Gespräche, die zwischen 60 und 90 Minuten dauerten, wurden aufgezeichnet und transkribiert. Ein zentrales Ergebnis der Studie ist der bevorstehende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, der ab dem Schuljahr 2026/27 im Achten Sozialgesetzbuch verankert werden soll. Ziel dieses Rechtsanspruchs ist es, den Zugang zu Betreuungsangeboten verbindlich zu gestalten und damit Bildungsbarrieren abzubauen.
Chancen und Herausforderungen
Die Befragten äußerten sowohl positive als auch kritische Ansichten zu Ganztagsschulen. Einerseits wurden die Förderung von Sozialkompetenzen und individuellen Lernzeiten als gewinnbringende Aspekte hervorgehoben. Andererseits gibt es Bedenken bezüglich der Rahmenbedingungen. Insbesondere die fehlenden Kooperationszeitfenster für das Betreuungs- und Lehrpersonal sowie starre Vorgaben und hohe Belastungen für das pädagogische Personal stellen ernsthafte Herausforderungen dar. Zudem tragen Ganztagsschulen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei, was insbesondere für die Mittel- und Oberschicht von Bedeutung ist.
Die Studie empfiehlt verbindliche Zeit- und Austauschfenster sowie geschützte Räume für Reflexion und die Förderung multiprofessioneller Teams. Eine stärkere Zusammenarbeit mit Sozialraumpartnerschaften und die aktive Beteiligung von Schülern wurden als dringend notwendig erachtet. Dennoch bleibt die praktische Umsetzung des Rechtsanspruchs ab 2026/27 ungewiss.
Pädagogische Impulse und politische Diskussion
Der 8. Ganztagsschulkongress, der am 4. und 5. November in Berlin stattfindet, wird die Debatte um Ganztagsschulen weiter anheizen. Unter dem Motto „Ganztagsschule verändert!“ werden neue Ergebnisse der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (STEG) präsentiert. Der Kongress, organisiert vom BMBF und der KMK in Kooperation mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, zieht jährlich rund 1.300 Teilnehmer an, darunter Schulleiter, Politiker, Wissenschaftler und Schulpartner.
Dr. Bernd Althusmann, Präsident der Kultusministerkonferenz, betont die Ganztagsschule als Erfolgsmodell und die Notwendigkeit ihrer Weiterentwicklung. Die Qualität der Angebote in Ganztagsschulen wird als entscheidend für die Verbesserung von Sozialverhalten, Motivation und Schulleistungen angesehen. Der Kongress wird auch Workshops, Vorträge und Diskussionsrunden zu Themen wie Schulfusionen und gerechteren Bildungschancen bieten, in denen Schülerinnen und Schüler aktiv eingebunden werden.
Die Diskussion über attraktive Arbeitszeitmodelle und strukturelle Veränderungen im Bildungssystem verdeutlicht, dass Ganztagsschulen ein umkämpftes Thema bleiben, das sowohl Chancen als auch Herausforderungen birgt. Die Ergebnisse der Studie und die anstehenden politischen Initiativen werden maßgeblich darüber entscheiden, ob der angestrebte Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung tatsächlich erfolgreich umgesetzt werden kann.
Weitere Informationen zu den Chancen und Herausforderungen von Ganztagsschulen finden Sie in der umfassenden Analyse der PH Weingarten unter folgendem Link: PH Weingarten. Zudem bietet die Kultusministerkonferenz umfassende Details zur Bedeutung von Ganztagsschulen für Bildungsgerechtigkeit, die hier abgerufen werden können: KMK.
