
Die queere islamische Theologie befindet sich aktuell in einem spannenden Aufbruchsprozess. Wie die Universität Bonn berichtet, zielt die Forschung darauf ab, traditionelle Interpretationen des islamischen Denkens in Bezug auf Körper, Geschlecht und Sexualität zu hinterfragen. Unter der Leitung von Dr. Abdul Basit Zafar, einem Research Associate am International Center for Comparative Theology and Social Issues (CTSI), wird ein wissenschaftlicher Rahmen geschaffen, der inklusivere Interpretationen islamischer Texte verzweigen soll.
Für diese bedeutende Forschungsarbeit erhält Zafar eine Aufbruch-Förderung von 300.000 Euro. Ziel ist es, die Lebenswirklichkeit queerer Muslim*innen zu beleuchten und die Kluft zwischen religiöser Tradition und Menschenrechtsdiskussionen zu überbrücken. Zu den verwendeten Methoden zählen vergleichende Theologie und die Analyse klassischer islamischer Quellen unter Berücksichtigung des amerikanischen queer-theologischen Diskurses.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Herausforderungen
Die Aufbruch-Förderung eröffnet neue Möglichkeiten für interdisziplinäre Zusammenarbeit, Workshops und internationalen wissenschaftlichen Austausch. Thema sind nicht nur die Herausforderungen, denen sich queere Muslime gegenübersehen, sondern auch die Tabus, die in vielen islamisch geprägten Ländern vorherrschen. Bei einer Veranstaltung zur Thematik „Queer im Islam“ an der Frankfurter Goethe-Universität wurde der Polizeischutz für Teilnehmende notwendig, nachdem Drohungen in sozialen Medien veröffentlicht wurden, wie Deutschlandfunk berichtet.
Susanne Schröter, Direktorin des Forschungszentrums Globaler Islam, unterstrich die Bedeutung solcher Konferenzen, um einen Raum für Forschung über Gender und Sexualität im Islam zu schaffen. In vielen muslimisch geprägten Ländern ist das Thema Homosexualität mit erheblichen Risiken behaftet, einschließlich Strafverfolgung bis hin zur Todesstrafe. Progressive Ansätze kommen vor allem aus deutschen Hochschulen, wo namhafte Wissenschaftler wie Mouhanad Khorchide alternative Lesarten des Korans entwickeln.
Vielfalt der Meinungen und gesellschaftliche Perspektiven
Khorchide argumentiert, dass der Koran Homosexualität nicht ausdrücklich verbietet. Der Theologe Ali Gandour an der Universität Münster betont die historische Vielfalt der Ansichten zu Homosexualität. Dennoch stoßen progressive Positionen oft auf Widerstand, sowohl aus religiösen als auch aus studentischen Reihen. Schockierende Berichte über Mobbing und Druck auf homosexuelle Studierende verdeutlichen die existierenden Spannungen innerhalb der Gemeinschaft.
Die junge Wissenschaftlerin Mira Sievers, die an der Humboldt-Universität Berlin lehrt, lebt offen mit ihrer Transidentität und engagiert sich ebenfalls für queere Muslim*innen. Sie sieht die Notwendigkeit, ein Angebot für die muslimische Gemeinschaft zu schaffen und die gesellschaftliche Skepsis gegenüber dem Islam zu adressieren. Historische Kontexte zu Homosexualität werden von ihr als besonders wichtig erachtet, um den Diskurs zu fördern.
Die internen Strukturen an der Humboldt-Universität zeigen durch junge Forscher*innen eine Aufbruchsstimmung. Trotz der Herausforderungen blickt die queer-islamische Forschung optimistisch in die Zukunft und ist bestrebt, den Dialog zwischen den abrahamitischen Religionen zu stärken. Das Studium der Themen rund um Sexualität, Geschlecht und die Traditionen des Islam wird damit zu einem wichtigen Bestandteil einer sich verändernden theologischen Landschaft.