
In den letzten fünf Jahren hat die Bedrohung durch islamistischen Terrorismus in Deutschland an Bedeutung gewonnen. Martin Kahl, Extremismusexperte am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg, analysiert die Hintergründe dieser Entwicklung und hebt hervor, dass grundlegende persönliche Motive häufig mit ideologischen Beweggründen vermischt werden. Laut Kahl könnten Täter aus ihren persönlichen Lebenskrisen mit islamistischen Taten eine Art Rettung suchen, um ihre Unzufriedenheit mit den eigenen Lebensumständen zu bewältigen. Diese individuellen Motivationen scheinen eine neue Dimension im Verständnis von Terroranschlägen zu eröffnen, die Gerichte vor große Herausforderungen stellen, da sie oft schwer von ideologischen Beweggründen zu trennen sind.
Im Zeitraum von Anfang 2024 bis April 2025 sind vier mutmaßlich religiös motivierte Anschläge in Städten wie Mannheim, Solingen, München und Berlin verübt worden. Die Tatverdächtigen wiesen jedoch keine signifikanten psychischen Störungen auf. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Motivation für solche Taten weniger mit psychologischen Problemen als mit einem tieferen Verlangen nach Identität und Einfluss verbunden ist. Kahl stellt fest, dass in vorangegangenen Jahren militärische Interventionen oft als „Trigger“ für radikalisierte Gewalt dienten; heute sind es verstärkt gesellschaftliche Kontroversen, wie Mohammed-Karikaturen und Koran-Verbrennungen, die zu einer Mobilisierung führen können.
Veränderte Motive und Ideologien
Kahl berichtet von insgesamt 15 islamistischen Terroranschlägen in Deutschland seit 2015, inklusive vier gescheiterter Anschläge und 33 verhinderten Verdachtsfällen. Die Analyse zeigt, dass die Ideologie des Islamischen Staates (IS) nach wie vor als Bezugspunkt für einige Extremisten dient. Jedoch ist die Erscheinung von „operativen Einzeltätern“ mit mehrdeutigen Motivationen ein neues Phänomen, welches die Sicherheitsbehörden vor ungeahnte Herausforderungen stellt. Diese Täter agieren oft unabhängig und scheinen ihren persönlichen Frust und die Suche nach Selbstverwirklichung in ihren Taten zu kanalisieren.
Die Wissenschaft beschäftigt sich intensiv mit den Radikalisierungsprozessen, insbesondere im Jugendalter, um die Hintergründe und Einflüsse genauer zu verstehen. Das Thema wird unter anderem von der Bundeszentrale für politische Bildung behandelt, die eine Vielzahl von Studien und Analysen zu diesem komplexen Sachverhalt veröffentlicht hat. In einer aktuellen Veröffentlichung wird die Rolle des Internets als ein entscheidender Faktor für die Radikalisierung junger Menschen diskutiert. Hierbei spielen soziale Netzwerke eine wesentliche Rolle bei der Verbreitung extremistischer Ideologien, aber auch bei der Vernetzung von Gleichgesinnten.
Präventionsmaßnahmen und Forschung
Um den Herausforderungen einer zunehmenden Radikalisierung zu begegnen, gibt es verschiedene Initiativen, wie das Projekt „Kontrolle Internetpropaganda (KIP)“. Dieses Projekt hat das Ziel, Präventions- und Interventionsinstrumente für Risikogruppen zu entwickeln. Hierbei wird auch ein Monitoring-System eingesetzt, das hilft, relevante Themen für gefährdete Jugendliche zu identifizieren und zu bearbeiten, um sie vor dem Abdriften in extremistisches Gedankengut zu bewahren.
- Projektziele:
- Technisches Tool für automatisiertes Monitoring extremistischer Inhalte.
- Entwicklung sozialpädagogischer Instrumente für die Arbeit mit Jugendlichen im Justizvollzug.
- EU-weite Strategie zur Veröffentlichung und Verbreitung von Erkenntnissen zur Extremismusprävention.
Insgesamt verdeutlichen die aktuellen Forschungsansätze und -ergebnisse die Notwendigkeit eines umfassenden Verständnisses der Motive hinter extremistischen Taten sowie die Entwicklung gezielter Gegenmaßnahmen. Kühle abgestimmte Ansätze in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik sind entscheidend für die Förderung der politischen Bildung und der kritischen Medienkompetenz unter gefährdeten Gruppen.
Remszeitung berichtet, dass …, während die Bundeszentrale für politische Bildung detaillierte Forschungsbefunde zur Radikalisierung präsentiert. Weitere Informationen zu den laufenden Projekten finden sich beim Bundeskriminalamt.