
In der Diskussion um die Sinnhaftigkeit von Schulnoten gibt es unterschiedliche Meinungen, insbesondere wenn es um die Befürwortung oder Ablehnung von Zensuren im Bildungswesen geht. Der Potsdamer Lehrer Stefan Hagenau, der an verschiedenen Schulen in Berlin und Brandenburg tätig war, äußerte sich in einem Interview mit der MAZ kritisch über das Notensystem und plädiert für eine Leistungsbewertung ohne Noten. Laut Hagenau können Zensuren sogar schädliche Auswirkungen auf Schüler haben.
Hagenau hat an einer Grundschule am Prenzlauer Berg unterrichtet, wo Eltern darüber abstimmen sollten, ob ihre Kinder Noten erhalten sollten oder nicht. Anfangs entschieden sich alle gegen Noten, mussten jedoch ein Jahr später, unter dem Druck der Schullaufbahnentscheidungen, ihre Meinung ändern und stimmten knapp für eine Benotung. Diese Erlebnisse verdeutlichen, wie externe Faktoren die Entscheidungsfindung der Eltern beeinflussen. Noten erscheinen zwar für viele Eltern leserlicher und klarer, doch Hagenau stellt fest, dass auch in Schulen ohne Noten eine differenzierte Leistungsbewertung möglich ist, zum Beispiel durch Indikatorenzeugnisse oder persönliche Leistungsbeurteilungen der Lehrer.
Vorzüge einer notenfreien Bewertung
Einen zentralen Vorteil einer notenfreien Schule sieht Hagenau darin, dass Kinder in einem weniger wettbewerbsorientierten Umfeld lernen können. Er berichtet von seiner eigenen Tochter, die in einer Schule ohne Noten ist und die der Unterricht entspannter empfindet. Dennoch merkt er an, dass der Übergang zu einem System mit Noten für viele Kinder eine große Umstellung darstellt. Einige Eltern erhoffen sich durch Noten, dass ihre Kinder die Schule ernster nehmen, was teilweise auch der Fall ist.
Hagenau hebt hervor, dass das Alter der Schüler eine Rolle spielt, wenn es um den Umgang mit Noten geht. Bei jüngeren Kindern kann der Druck, der mit dem Notensystem einhergeht, demotivierend wirken. Dies wird gemessen an der zunehmenden Leistungsstreuung in Grundschulen, wo einige Kinder auf einem hohen Niveau arbeiten, während andere deutlich zurückbleiben.
Er fährt fort, dass die Bewertung in den Schulen stark schwankend ist und nicht immer den Leistungsstand der Schüler objektiv widerspiegelt. Diese Unbeständigkeit führt dazu, dass Noten nicht so fair sind, wie sie oft wahrgenommen werden. Dies wird besonders evident, wenn Lehrer unterschiedlich streng benoten. Hagenau ist sich durchaus bewusst, dass Noten in der weiterführenden Schule eine Rolle spielen, besteht jedoch darauf, dass Lehrer auch ohne Noten eine qualitativ hochwertige Einschätzung abgeben können.
Die Auseinandersetzung mit Schulnoten tangiert nicht nur Schüler und Lehrer, sondern auch die Erziehungswissenschaft im Allgemeinen. Eine kritische Analyse des Notensystems, wie sie auf bruehlmeier.info erfolgt, zeigt, dass Schulnoten oftmals nicht objektiv sind und zahlreiche Nebenwirkungen haben. Insbesondere wird bemängelt, dass das Notensystem schädliche Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl von Schülern hat und die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern belastet. Die Forschung legt nahe, dass eine andere Form der Leistungsbewertung notwendig ist, um den individuellen Lernprozess besser zu begleiten und zu fördern.
Insgesamt beleuchten die Argumente von Hagenau und die kritischen Analysen die Komplexität der Frage nach der Idee der Notenvergabe in Schulen und dessen Auswirkungen auf die Schüler sowie den gesamten Bildungsprozess.