
Oswald Spengler (1880–1936) ist eine zentrale Figur in der Diskussion um den Verfall der westlichen Kultur. Sein Hauptwerk, „Der Untergang des Abendlandes“, wurde 1918 veröffentlicht und gilt als eines der meistgelesenen Sachbücher der Weimarer Republik. Bis in die 30er-Jahre wurden über 200.000 Exemplare verkauft, was den tiefen Nerv der Zeit traf. Spengler beschrieb den Verfall nicht als Katastrophe, sondern als unvermeidlichen Bestandteil eines kulturellen Zyklus, der aus vier Phasen besteht: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Diese Auffassung entwickelte er während des Ersten Weltkriegs, als er von einem deutschen Sieg ausging, doch die Realität einer Niederlage führte zu einer breiteren Reflexion über die Ursachen dieser Katastrophe.
Spengler war nicht nur ein Beobachter des kulturellen Wandels, sondern stellte auch eine tiefe Kluft zwischen „Kultur“ und „Zivilisation“ her. Während er Zivilisation als das Reifestadium einer Kultur betrachtete, identifizierte er deren Anzeichen, wie Landflucht, das Aufblühen großer Städte, das Ende von Traditionen und das Aufkommen von Demokratie und Pazifismus, als Symptome des Niedergangs. In den Worten des österreichischen Philosophen Peter Strasser bezieht Spenglers Analyse ihren Reiz aus dem heilsversprechenden Rahmen, den sie dem Verlust und der Demütigung der Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg verleiht.
Eine provokante Sichtweise
Spengler, der in Blankenburg am Harz geboren wurde und in Halle, München und Berlin studierte, war ein Kritiker der Demokratie. In seinen anderen Schriften, wie „Preußentum und Sozialismus“ von 1919 und „Neubau des Deutschen Reiches“ von 1924, äußerte er seine Revolutionsfeindschaft und machte die Novemberrevolution von 1918 für die Misere Deutschlands verantwortlich. Spengler sah die Notwendigkeit eines neuen „Cäsarismus“, um eine neue Kultur zu schaffen, indem das Bestehende radikal verändert wird. Zukünftige Herrschaftsformen sah er in der Gestalt von „Cäsaren“, die einen Weltenbrand inszenieren, um Platz für Neues zu schaffen.
Die Tragik seines Denkens liegt darin, dass Spengler den Untergang als notwendigen Prozess sah. Er warnte vor Nihilismus und forderte die Jugend auf, sich aktiv ins politische Geschehen einzubringen. Spengler überzeugte seine Leser nicht nur mit seiner Analyse, sondern auch mit einer provokanten Ethik, die zwischen Raubtieren und Pflanzenfressern unterscheidet.
Ein bleibender Einfluss
Spenglers Ideen lebten in verschiedenen politischen Strömungen weiter, insbesondere in der Neuen Rechten, was von Strasser als bedenklich erachtet wird. Strasser warnt vor einer Ideologie der Heimat, die nicht an demokratische Werte gebunden ist und plädiert für ein Konzept, das sich auf Verfassungspatriotismus stützt. Außerdem sind Spenglers Thesen über Hochkulturen und den Zivilisationsbegriff in modernen Debatten über das „Ende der Geschichte“ nach wie vor relevant. Sein Werk inspirierte unter anderem Samuel P. Huntington mit dessen Konzept „The Clash of Civilizations“.
Abschließend lässt sich sagen, dass Spenglers „Der Untergang des Abendlandes“ nicht nur ein Spiegelbild der Zeit war, in der es entstand, sondern auch nach nahezu einem Jahrhundert weiterhin Auswirkungen auf die Gesellschaft und das politische Denken hat.