
Der Suhrkamp-Verlag hat eine umfassende Sammlung von 99 Kritiken des renommierten Autors Uwe Johnson über das DDR-Fernsehen veröffentlicht. Diese Texte, die ursprünglich im Jahr 1964 für die Zeitung „Der Tagesspiegel“ verfasst wurden, sind Teil der historisch-kritischen Rostocker Ausgabe von Johnsons Werken. Die Sammlung erstreckt sich über insgesamt 567 Seiten und beschäftigt sich mit den getrennten Medienwelten in Berlin nach dem Mauerbau.
Uwe Johnson, der keinen eigenen Fernseher besaß, erhielt ein leihweise zur Verfügung gestelltes Imperial-Koffergerät Type 1619 Astronaut, um seine Kolumne zu schreiben. Seine erste Kritik erschien am 4. Juni 1964 und behandelte den „schwarzen Kanal“ von Karl-Eduard von Schnitzler. In seinen Kolumnen kritisierte Johnson die manipulative Agitation des DDR-Fernsehens, ohne das Wort „Propaganda“ zu verwenden, und beschrieb dabei verschiedene Formate wie „Du und die Chemie“, „Tausend Tele-Tips“ sowie Kriminalfilme.
Einblicke in die Medienszene der DDR
Die Veröffentlichung des ersten Bandes, „Der 5. Kanal“, erfolgte am 9. Dezember 2024 und umfasst die 99 Rezensionen, die Johnson im zweiten Halbjahr 1964 für den „Tagesspiegel“ verfasste. Diese Kritiken beleuchten das DDR-Fernsehen als ein bisher wenig beachtetes Thema in der westlichen Medienlandschaft. Johnsons Arbeiten bringen einen wichtigen kulturellen und gesellschaftlichen Aspekt ans Licht, der die Sichtweise auf die DDR beeinflusste.
Die Rezensionen decken ein breites Spektrum ab, darunter Sendungen wie „Prisma“, die Lösungsvorschläge für Alltagsprobleme in der DDR thematisiert, den politischen Streifen „Schwarzer Kanal“ und die Kinderstunde „Sandmännchen“. Johnson gibt den Lesern einen tiefen Einblick in die Zeitgeschichte und beleuchtet die Medienszenen beider deutscher Staaten. Experten- und Kommentarteile in der Ausgabe analysieren die Sendungen und Filme und setzen sie in den historischen Kontext, was einen weiteren Blick auf Johnsons Arbeitsweise und seine langfristige Tätigkeit für eine Tageszeitung ermöglicht.
Dieses Projekt wird von der Universität Rostock, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und dem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern unterstützt und ist Teil eines 24-jährigen Vorhabens zur vollständigen Edition der Werke von Uwe Johnson. Die Publikation der Kritiken stellt nicht nur einen wichtigen Teil des Erbes von Johnson dar, sondern auch einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der medialen Geschichte der DDR, wie sowohl die Frankfurter Allgemeine Zeitung als auch Das Wissen berichteten.