
Inmitten literarischer Neuheiten und kreativer Strömungen präsentiert der belarussische Autor Alhierd Bacharevič in seinem Roman Europas Hunde eine faszinierende Kunstsprache namens „Balbuta“. Diese Sprache ist nicht nur ein Werkzeug der Kommunikation, sondern wird auch als subversives Element in einer von Diktaturen geprägten Welt verstanden. Laut der FAZ entwickelt der Protagonist Oleg Olegowitsch „Balbuta“ als eine alternative Beschreibung der Welt, die die Leser in einen neuen Denkrahmen einführt.
„Balbuta“ zeichnet sich durch eine völlig neue Grammatik und eine Vielzahl neuer Begriffe und Bezeichnungen aus. Der Schriftsteller Bacharevič beschreibt die Sprache als leicht erlernbar, poetisch und flexibel, ohne Hierarchien. Mit der Abwesenheit des Wortes „richtig“ wird die individuelle Identität betont. Oleg Olegowitsch, ein Misanthrop, findet in dieser Sprache eine Flucht aus der tristen Realität und pflegt seine Obsession für „Balbuta“ mit zwei jungen Menschen, die ebenfalls Minsker Lebensrealitäten entfliehen wollen. So entfaltet der Roman eine vielschichtige Erzählung, die Freiheit, Schönheit und bisweilen auch die Poesie des Lebens betont.
Die Struktur von Europas Hunde
Der Roman ist in sechs Teile gegliedert, die unterschiedliche Protagonisten und Settings erkunden. Die ersten 150 Seiten sind der Geschichte von „Balbuta“ in der Großstadt gewidmet. Es folgen Szenarien, die in dystopischen Zukünften spielen, unter anderem ein Spionage-Thriller, der im Jahr 2049 in einem großrussischen Imperium angesiedelt ist. Eine der Hauptfiguren, der 14-jährige Maučun, träumt von einer fantastischen Reise, bis er einer Spionin begegnet.
In den weiteren Erzählsträngen kehrt die Handlung nach Minsk zurück, während der finale Teil, „Die Spur“, ein dystopisches Science-Fiction-Szenario im Jahr 2050 präsentiert. Hier trifft der non-binäre Held Teresius Skima auf die Geschichte eines verstorbenen Schriftstellers, was weitere Dimensionen der Identitätsfindung hinzufügt. Zwischen den Geschichten bestehen subtile Verbindungen zwischen Figuren, Motiven und Narrativen, wodurch sich die Erzählung zu einem komplexen Gewebe verdichtet.
Eine Literatur, die zum Nachdenken anregt
Der Roman Europas Hunde fungiert nicht nur als literarisches Experiment, sondern fordert die Leser auf, über die Möglichkeiten der Sprache nachzudenken. Ein kurzes Balbuta-Wörterbuch, das dem Buch angeschlossen ist, vertieft das Verständnis für die neu geschaffene Sprache. Thomas Weiler, der Übersetzer des Werkes, hat sich bemüht, sowohl das belarussische Original als auch die russische Übersetzung zu integrieren.
Bacharevič malt in seinem Buch ein visionäres Bild von der Rückkehr eines imperialen großrussischen Reichs und feiert die Literatur als ein Mittel der Freiheit. Während das Werk die Gefahren von Diktaturen und die Sehnsucht nach Individualität thematisiert, bleibt es auch eine Hommage an die Schönheit der phantasievollen Erzählkunst. Die Leser werden dazu angeregt, über ihre Beziehung zur Sprache und deren Kraft nachzudenken. Der Roman steht somit nicht nur für künstlerische Freiheit, sondern auch für den Sieg der Phantasie über die Realität.