
Irmgard F., die ehemalige Sekretärin des Konzentrationslagers Stutthof, ist am 14. Januar 2023 im Alter von 99 Jahren verstorben. Ihr Tod markiert das Ende eines Lebens, das eng mit einem der dunkelsten Kapitel der Geschichte verbunden ist. F. war wegen Beihilfe zum Massenmord verurteilt worden und wurde am 20. Dezember 2022 vom Landgericht Itzehoe zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt, aufgrund ihrer Rolle in 10.505 Mordfällen sowie versuchtem Mord in fünf weiteren Fällen. Der Bundesgerichtshof bestätigte dieses Urteil am 20. August 2023.
Das Verfahren gegen die frühere Stenotypistin, die zwischen Juni 1943 und April 1945 in der Kommandantur des KZ Stutthof tätig war, begann im Herbst 2021. Der Prozessstart verzögerte sich, als F. vor dem ersten Termin aus ihrem Seniorenheim nach Hamburg flüchtete und fünf Tage in Untersuchungshaft genommen wurde. Der Fokus ihres Prozesses lag darauf, inwiefern ihre administrativen Tätigkeiten zur systematischen Tötung von Häftlingen beigetragen hatten.
Die Rolle des KZ Stutthof
Das KZ Stutthof war ein grausames Beispiel für das nationalsozialistische Regime, das sich als zentrales Instrument der Herrschaft verstand. Im Lager und seinen 39 Außenlagern waren zwischen 1939 und 1945 rund 110.000 Menschen inhaftiert, wovon nahezu 65.000 nicht überlebten. Das Lager diente nicht nur der Unterdrückung politischer Gegner, sondern wurde auch zur Durchführung planmäßiger Massenmorde genutzt. Irmgard F. wurde vorgeworfen, durch ihre Loyalität zu den Haupttätern und ihre Arbeit im Rahmen der Lagerverwaltung zur Tötung der Häftlinge beigetragen zu haben. Sie war zudem enge Vertraute des Lagerkommandanten Paul Werner Hoppe.
Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass F. über die brutal lebensfeindlichen Bedingungen informiert war, unter denen die Häftlinge litten. Sie war für die Korrespondenz des Lagers zuständig, was ihr Wissen über die Gräueltaten und die Zustände im Lager bestätigte. Ihre Handlung wurde als nicht neutral betrachtet, da sie sich aktiv mit den Tätern solidarisiert hatte.
Historischer Kontext der Konzentrationslager
Die Gründung und der Betrieb von Konzentrationslagern sind zentrale Elemente des nationalsozialistischen Unterdrückungsapparates. Schätzungen zufolge starben in diesen Lagern zwischen 800.000 und 1 Million Menschen, während nur etwa 300.000 Häftlinge die Befreiung 1945 erlebten. Die Konzentrationslager entwickelten sich im Laufe der Jahre zu Orten massiver Menschenrechtsverletzungen, die aus einer radikalisierten Rassenpolitik resultierten. Besonders nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Jahr 1941 wurde die totale Ausnutzung der Häftlinge für die Rüstungsproduktion beschlossen, was dazu führte, dass die Sterblichkeit in den Lagern erheblich anstieg.
Irmgard F.s Fall ist nicht nur eine Geschichte individueller Verantwortung, sondern auch ein Spiegelbild der komplexen und oft unsichtbaren Strukturen, die die nationalsozialistischen Verbrechen ermöglichten. Ihre Verurteilung stellt ein wichtiges Signal für die juristische Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus dar.