
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat klar Stellung genommen zu einem Vorschlag, der von dem Allianz-Chef Oliver Bäte angestoßen wurde. Bäte möchte die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für den ersten Tag einer Krankmeldung abschaffen, um die Kosten für Arbeitgeber zu senken. Heil widerspricht entschieden. Er betont, dass es ein verzerrtes Bild von der arbeitenden Bevölkerung zeichne, kranke Beschäftigte pauschal unter Generalverdacht zu stellen. „Mit mir und der SPD wird die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht eingeschränkt“, so Heil.
Heil macht deutlich, dass vor allem Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen und insbesondere Frauen unter einer Wiedereinführung des sogenannten Karenztages leiden würden. In Deutschland ist es seit Jahrzehnten üblich, dass Arbeitnehmer ab dem ersten Tag ihrer Krankmeldung weiterhin ihr Gehalt erhalten. Arbeitgeber haben jedoch das Recht, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Tag anzufordern, wenn der Verdacht besteht, dass ein Mitarbeiter möglicherweise „Blaumachen“ will. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) schließt sich Heil an und verweist auf negative Erfahrungen aus der Vergangenheit mit ähnlichen Regelungen.
Der hohe Krankenstand in Deutschland
Die Diskussion über die Lohnfortzahlung kommt vor dem Hintergrund des in Deutschland hohen Krankenstands. Laut dem Tagesschau sind Arbeitnehmer in Deutschland im Durchschnitt 20 Tage pro Jahr krank, während der Durchschnitt in der Europäischen Union bei nur acht Tagen liegt. Im Jahr 2023 lag die durchschnittliche Anzahl der Krankmeldungen bei 15,1 Arbeitstagen, was einen Anstieg um 4,0 Tage im Vergleich zu 2021 bedeutet.
Die Forderung von Oliver Bäte, wonach die Wiedereinführung eines Karenztages die Arbeitgeber erheblich entlasten und jährlich bis zu 40 Milliarden Euro einsparen könnte, hat in der politischen Landschaft gemischte Reaktionen hervorgerufen. Bäte sieht den hohen Krankenstand als ernstes Problem für Unternehmen, was auch Mercedes-Chef Ola Källenius bestätigen kann. Andererseits empfinden Gewerkschaften wie der DGB und IG Metall den Vorschlag als ungerecht und warnen vor einem Phänomen namens „Präsentismus“, bei dem Mitarbeiter trotz Krankheit zur Arbeit kommen, um finanzielle Einbußen zu vermeiden.
Reaktionen aus der Wirtschaft und Presse
Die Diskussion wird ergänzt durch die Meinungen mehrerer Führungspersönlichkeiten und Sozialexperten. Tobias Stüber, Chef von Flibco, lehnt die Idee unbezahlter Krankheitstage ab und fordert stattdessen eine bessere Unternehmenspolitik. Im Gegensatz dazu befürwortet Bernd Raffelhüschen, ein Sozialexperte, drei Tage ohne Lohn als uneingeschränkt sinnvoll.
Bäte hat die Thematik des hohen Krankenstandes in Deutschland angestoßen und damit eine Debatte über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eröffnet, die nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Bedeutung ist. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen bleibt abzuwarten, wie sich die Debatte weiter entfalten wird und welche Entscheidungen dabei getroffen werden.