
Der Deutsche Turner-Bund (DTB) steht im Fokus öffentlicher Kritik, nachdem mehrere ehemalige Turnerinnen schwerwiegende Vorwürfe gegen die Trainingsmethoden am Bundesstützpunkt in Stuttgart erhoben haben. Diese schweren Anschuldigungen beinhalten „systematischen körperlichen und mentalen Missbrauch“, der über Jahre hinweg in der Sportwelt geduldet wurde. Um dieser Thematik entgegenzutreten, hat der DTB eine Kanzlei aus Frankfurt am Main mit der umfassenden Untersuchung des Turn-Skandals beauftragt, wie ZVW berichtet.
Der Vorstand des DTB hat am Freitag entschieden, die Untersuchung „schnellstmöglich“ abzuschließen. Dazu soll ein unabhängiger, interdisziplinär besetzter Expertenrat gebildet werden, der sich intensiver mit den Trainingsmethoden und dem Umgang mit den Turnerinnen auseinandersetzen wird. Darüber hinaus plant der Verband, strukturelle Themen zu bearbeiten und daraus resultierende Verbesserungen für die Zukunft abzuleiten.
Rücktritt von Ulla Koch
Inmitten dieser Entwicklungen hat die Vizepräsidentin des DTB, Ulla Koch, ihr Amt vorübergehend niedergelegt. Diese Entscheidung, die persönlich und in der Absicht getroffen wurde, den Aufarbeitungsprozess zu unterstützen, zeigt die Ernsthaftigkeit der Situation. Koch, die seit über drei Jahren in ihrer Position tätig ist, hat in der Vergangenheit maßgeblich zur Entwicklung des deutschen Turnens beigetragen. Der DTB würdigte ihre Verdienste, während sie sich in der aktuellen Lage zurückzieht, um die Aufklärung zu fördern.
Die Vorwürfe gegen das Trainer-Duo am Bundesstützpunkt in Stuttgart sind nicht neu. Ehemalige Spitzenturnerinnen wie Tabea Alt und Michelle Timm haben bereits in der Vergangenheit (unter anderem vor vier Jahren in Chemnitz) auf Missstände hingewiesen. Erfahrungen von körperlichem und mentalem Missbrauch, Essstörungen sowie Demütigungen werden von den betroffenen Turnerinnen genannt. Die Vorfälle hatten zuvor nicht die notwendige Aufmerksamkeit erhalten, und ein Kulturwandel, den der DTB versprochen hatte, blieb aus.
Reaktionen und weitere Maßnahmen
Angesichts der vorgebrachten Vorwürfe fordern sowohl der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als auch das Kultusministerium Baden-Württemberg eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle. Es ist unklar, ob diese Forderungen endlich zu einem transparenten und nachhaltigen Wandel im deutschen Turnen führen werden. Im Hinblick auf die Vorgänge wird auch auf die Schwierigkeiten hingewiesen, eine neue, liberale Kultur im Leistungssport zu etablieren, trotz der bestehenden Anforderungen des Hochleistungssports.
Die Situation zwingt den DTB und die turnerische Community dazu, sich ernsthaft mit den über Jahre gewachsenen Strukturen und Praktiken auseinanderzusetzen. Es ist zu hoffen, dass die laufende Untersuchung zu einem besseren Schutz der Athletinnen beiträgt und eine neue, respektvolle Trainingskultur fördert.