
In vielen EU-Staaten befindet sich die Pflegebranche in einer tiefen Krise, die durch belastende Arbeitsbedingungen und einen alarmierenden Fachkräftemangel verursacht wird. Dies berichtet die Europa-Universität Viadrina, die kürzlich ein Policy Paper im Rahmen des Forschungsprojektes Care4Care veröffentlicht hat. Die Untersuchung, an der auch Forscherinnen und Forscher aus Italien, Spanien, Schweden, Polen und Frankreich mitwirken, hebt die dringenden Anforderungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege hervor. Zu den Kernforderungen gehören unter anderem bessere Präventionsmaßnahmen gegen körperliche und psychosoziale Belastungen sowie geregelte Qualifikations- und Aufstiegsmöglichkeiten für Pflegekräfte berichtet die Europa-Universität Viadrina.
Insbesondere die Gesundheitsrisiken für Pflegekräfte, die sowohl physische Anstrengungen als auch psychosoziale Belastungen, wie Stress, Gewalt und Belästigung, umfassen, stehen im Fokus der Analyse. Professorin Dr. Eva Kocher aus Frankfurt fordert darüber hinaus eine weitreichendere Anerkennung von Qualifikationen sowie integrative Maßnahmen, wie die Finanzierung von Sprachkursen während der Arbeitszeit, um die Integration ausländischer Pflegekräfte zu verbessern.
Fachkräftemangel und Arbeitsmigration
Der Fachkräftemangel in Deutschland verschärft die Situation weiter. Nach Angaben von Deutschlandfunk ist die Zahl der Pflegebedürftigen seit 2017 kontinuierlich gestiegen, und 2022 lagen 361.000 neue Fälle vor. Aktuell müssen vier von fünf Pflegeeinrichtungen wegen Personalmangel ihr Angebot einschränken. 72% der Pflegeheime und 89% der ambulanten Dienste können nicht alle benötigten Leistungen anbieten berichtet Deutschlandfunk.
Die Bundesregierung reagiert auf diese Entwicklungen, indem sie aktiv um ausländische Pflegekräfte wirbt. Im Jahr 2022 waren bereits 244.000 ausländische Fachkräfte im Dienst. Trotz Verbesserungen in der Ausbildung und den Konditionen, zeigt sich keine erkennbare Trendwende. Das Care4Care-Projekt zielt darauf ab, die Situation von Pflegekräften in ganz Europa zu verbessern und hat ein Budget von 2,7 Millionen Euro. Es fordert eine eindeutige Anerkennung der Arbeitsverhältnisse in der Pflege, insbesondere im Bereich der Live-In-Pflege, wo viele Angestellte Frauen über 50 sind, die oft stark von den betreuten Personen abhängig sind.
Die demografische Entwicklung als Herausforderung
Die demografischen Veränderungen verschärfen den Handlungsbedarf zusätzlich. Prognosen zeigen einen Anstieg der Pflegebedürftigen auf etwa 6 Millionen bis 2040 und sogar 6,5 Millionen bis 2050. Besondere regionale Unterschiede sind festzustellen, mit einem Anstieg von bis zu 56% in Bayern und 51% in Baden-Württemberg, während andere Bundesländer geringere Zuwächse erleben berichtet Pflege-Marktplatz.
Die Situation wird weiter kompliziert durch hohe Arbeitsbelastungen, emotionale Erschöpfung und eine Überstundenkultur, die viele Pflegekräfte in den Burnout treiben. Obgleich in Deutschland mehr als 11.680 stationäre Pflegeeinrichtungen existieren, leidet die Qualität der Pflege unter dem Fachkräftemangel, was zu längeren Wartezeiten für die Patienten führt.
Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sind umfassende Maßnahmen unerlässlich. Dazu zählen die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Erhöhung der Gehälter und die Förderung eines stärkeren gesellschaftlichen Ansehens des Pflegeberufs. Technologische Innovationen und eine gezielte internationale Rekrutierung könnten ebenfalls zur Entlastung des Systems beitragen.