
Am 21. Februar 2025 fand eine bemerkenswerte Veranstaltung unter dem Titel „TraumaTische GegenWarten, …Oder?!“ in Frankfurt (Oder) statt. Organisiert von Katharina Blumberg-Stankiewicz und Dr. Alina Kokoschka, bot sie den Teilnehmenden die Möglichkeit, verschiedene Perspektiven auf die Oder zu diskutieren. Der Auftakt der Veranstaltung war geprägt von der Präsentation des Kurzfilms „Vom Verschwinden“ von Sven Johne, der eine intergenerationelle Familiengeschichte im Nachkriegs-Ostdeutschland thematisiert. Diese visuellen Eindrücke wurden durch atmosphärische Landschaftsaufnahmen des Nationalparks Jasmund und der kreidehaltigen Küstenlinien ergänzt, die vom Klimawandel bedroht sind.
Im Zentrum der Diskussion standen nicht nur klimatische Veränderungen, sondern auch die sozialen und historischen Traumata, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Oleksandra Bienert stellte in diesem Kontext die Frage, wie die deutsche Gesellschaft auf den aktuellen Krieg in der Ukraine reagiert, und regte zum Nachdenken über die „Kontinuität der Gewalt“ an. Die Veranstaltung brachte eine Vielzahl von Themen zusammen, von der Erinnerungskultur bis hin zu den Auswirkungen von Kriegserfahrungen auf die gegenwärtige Gesellschaft.
Transgenerationale Traumata
Die Herausforderungen der Verarbeitung von Traumata wurden auch durch die Erzählungen von Lilli Heinemann verdeutlicht, einer Journalistin, die sich intensiv mit der Vergangenheit ihrer Familie auseinandergesetzt hat. Sie beschreibt, wie seelische Wunden, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, das Leben ihrer Angehörigen geprägt haben. „Transgenerationales Trauma“ ist der Begriff, der diese Weitergabe beschreibt. Laut der Psychologin Sandra Konrad werden solche Traumata nicht nur durch individuelle Erlebnisse, sondern auch durch kollektives Schweigen in der Familie verstärkt.
Ein Beispiel aus Lillis Leben zeigt, wie tief die Vergangenheit ihre Gegenwart beeinflusst: Ihr Großvater überlebte einen Überfall, bei dem seine Familie ermordet wurde, und nur durch das Stellens des toten Körpers entkam er. Dieses Erlebnis prägte nicht nur ihn, sondern auch seine Nachkommen. Lilli’s eigene Recherche in die Familiengeschichte gab ihr ein Gefühl der Selbstermächtigung, auch wenn ihre Mutter und Schwester unterschiedliche Wege fanden, mit diesen Erinnerungen umzugehen.
Fotografie und kulturelle Reflexion
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Veranstaltung war die Eröffnung der Fotoausstellung „Oder-Los“ von Oleksandra Bienert. Diese beinhaltet beeindruckende Schwarz-Weiß-Fotografien der Flusslandschaft in Frankfurt (Oder) und thematisiert die unterschiedlichen Wahrnehmungen des Flusses in Deutschland und Polen. Die Ausstellung ist bis Ende April im Gräfin-Dönhoff-Gebäude zu sehen und bietet den Besuchern eine visuelle Auseinandersetzung mit den behandelten Themen.
Zusätzlich wurde im Rahmen des Events das Projekt „O-der Töne. Mensch, Land, Fluss – ein Podcast mit uneindeutigen Gesprächen vom Rand der Mitte Europas“ vorgestellt. Diese Initiative, die aus einem Workshop im Jahr 2022 in Zusammenarbeit mit „Zwischen den Polen“ entstanden ist, wird vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg unterstützt. Hierbei wird der Austausch über persönliche und kollektive Erfahrungen der Oder mit einer breiten Öffentlichkeit gefördert.
Die Veranstaltungen und Diskussionen verdeutlichen, wie wichtig es ist, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und die Kontinuitäten von Trauma und Erinnerung in der heutigen Gesellschaft zu reflektieren.
Die gesellschaftlichen und historischen Implikationen dieser Gespräche unterstreichen die Notwendigkeit, Räume für solche Diskussionen zu schaffen, um das Verständnis für die Komplexität von Trauma zu vertiefen.
Für alle, die sich näher mit dem Thema transgenerationaler Traumata und deren Auswirkungen auseinandersetzen möchten, empfiehlt sich die Lektüre von „Vererbte Wunden. Transgenerationale Weitergabe traumatischer Erfahrungen“, herausgegeben von Marianne Rauwald. Dieses Werk beleuchtet umfassend die Mechanismen der Weitergabe und die psychologischen Herausforderungen, die damit verbunden sind.