
Der Vorschlag, den Lohn am ersten Krankheitstag zu streichen, sorgt in Deutschland für aufgeregte Debatten. Arbeitgeberverbände in Nordrhein-Westfalen (NRW) setzen sich verstärkt für die Einführung eines sogenannten Karenztages ein. Dabei würden Arbeitnehmer im Krankheitsfall am ersten Tag ohne Lohn auskommen müssen, um die finanziellen Belastungen der Unternehmen zu verringern. Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer der NRW-Landesvereinigung, sieht diesen Schritt als wichtigen Wettbewerbsfaktor, um damit die hohen Krankenstände zu managen. Das berichtet Ruhr24.
Kritiker warnen jedoch vor den möglichen Folgen eines Karenztages. Sie mahnen an, dass diese Regelung vor allem Geringverdienende stark belasten könnte. In Schweden ist ein ähnliches Modell bereits etabliert, wo erst ab dem zweiten Krankheitstag 80% des Gehalts gezahlt werden. Insbesondere NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann befürwortet die Idee von Karenztagen mit dem Argument, dass sie die Eigenverantwortung der Arbeitnehmer stärken und den Missbrauch von Krankmeldungen reduzieren würden.
Gegenargumente und gesellschaftliche Bedenken
Dennoch gibt es gravierende Bedenken, die von vielen Seiten geäußert werden. So könnte der fehlende Lohn am ersten Krankheitstag Beschäftigte demotivieren und dazu führen, dass kranke Mitarbeiter zur Arbeit kommen und andere anstecken. Diese Befürchtungen wurden auch von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geäußert, der vor der Ansteckungsgefahr warnt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erhebt schwere Vorwürfe gegen den Vorschlag und bezeichnet ihn als „zutiefst ungerecht“. Tagesschau hebt hervor, dass insbesondere die IG Metall den Vorstoß als unverschämt und fatal ablehnt.
Allianz-Chef Oliver Bäte, der die Wiedereinführung des Karenztages fordert, behauptet, dass dies den Arbeitgebern helfen könnte, jährlich bis zu 40 Milliarden Euro einzusparen. Er argumentiert, dass in Deutschland Arbeitnehmer im Schnitt 20 Tage pro Jahr krank sind, während der Durchschnitt innerhalb der EU bei acht Tagen liegt. Dennoch ist die politische Unterstützung für den Karenztag höchst fraglich, vor allem angesichts der zunehmenden Kritik, selbst innerhalb der CDU.
Öffentliche Meinung und Umfragen
Eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Civey im Auftrag von Web.de zeigt, dass die Diskussion auch in der Bevölkerung gespalten ist. Demnach würden 53% der Arbeitnehmer bei der Einführung eines Karenztages trotz Krankheit zur Arbeit erscheinen. Besonders auffallend ist, dass 61% der 18- bis 29-Jährigen und 62% der 30- bis 39-Jährigen dieser Meinung sind. Arbeitnehmer mit Kindern neigen ebenfalls eher dazu, bei Krankheit zur Arbeit zu gehen, was Fragen zur sozialen Gerechtigkeit und zur Verantwortung der Arbeitgeber aufwirft.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Diskussion um den Karenztag nicht nur wirtschaftliche, sondern auch tiefgreifende gesellschaftliche Implikationen hat. Während auf der einen Seite Entlastungsmaßnahmen für Arbeitgeber gefordert werden, warnen Kritiker vor den sozialen Kosten derartiger Regelungen, die vor allem die Schwächsten in der Gesellschaft betreffen könnten. Die Debatte wird in den kommenden Wochen sicherlich nicht an Brisanz verlieren, wie weitere Diskussionen um Arbeitskultur und soziale Verantwortung der Unternehmen zeigen werden.