
Am 23. März 2025 steht das Thema Antisemitismus wieder im Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten. Simon Kießling, ein Autor und Denker, hat mit seinem neuen Werk, das als „Kaplaken“ bezeichnet wird, die Diskussion neu entfacht. Er beleuchtet den Antisemitismus nicht aus der Sicht der Antisemiten, sondern stellt die Perspektive der Juden in den Vordergrund. In seiner Arbeit skizziert er die „Realgeschichte des Judentums“ und verfolgt dessen jahrtausendelanges Wandern durch die Weltgeschichte. Damit zielt er darauf ab, das „Sendungsbewusstsein“ des jüdischen Volkes zu erklären, das er als zentral für das Verständnis ihrer Geschichte erachtet. Kießling bezeichnet die Israeliten als auserwähltes Volk, das mit einem Auftrag betraut ist, andere Völker von Götzendiensten zu befreien.
Doch Kießlings Ansatz bleibt nicht ohne Kritik. Er bezieht sich ausschließlich auf das Alte Testament und ignoriert moderne Geschichtsforschung, was seine Argumentation in Frage stellt. Zudem skizziert er die Geschichte der Juden als eine zyklische Leidensgeschichte, die in engem Zusammenhang mit dem Aufstieg und Niedergang von Zivilisationen steht. Dabei entwirft er ein Bild, in dem Juden als Katalysatoren für zivilisatorische Umbrüche dargestellt werden, die letztendlich von Neid und Eifersucht der Gastgebervölker vertrieben werden.
Kritik an der modernen Antisemitismusforschung
Kießling übt auch Kritik an der modernen Antisemitismusforschung, die Antisemiten als Subjekte betrachtet. Stattdessen stellt er die Juden als das alleinige Subjekt der Geschichte dar und argumentiert, dass der Niedergang von Hochkulturen oft mit der Abwesenheit des „jüdischen Geistes“ einhergehe. Während er anerkennt, dass Antisemitismus nicht vollständig vom Verhalten der Juden losgelöst betrachtet werden kann, beschränkt er diese Betrachtung auf Einzelfälle.
In seiner Analyse benennt Kießling drei Irrtümer der Antisemiten: Erstens, dass Antisemiten alle Juden in Geiselhaft nehmen. Zweitens, dass Juden nicht die Urheber von Kapitalismus oder Kommunismus sind, sondern prädestiniert, in diesen Systemen erfolgreich zu sein. Drittens, dass Juden nicht die Urheber universeller Tendenzen sind, sondern sich in Zersetzungsprozessen wohlfühlen. Kießling schlussfolgert, dass die jüngsten Entwicklungen, insbesondere die Entfremdung Israels vom Westen, als Vorboten für das Ende der abendländischen Zivilisation gedeutet werden können. Er beschreibt die Juden als resilient und dominant, während europäische Nationen sich in einem Prozess der Selbstauflösung befinden.
Politische Reaktionen und Herausforderungen
Die Resolution basiert auf einem Entwurf, der von den Fraktionen SPD, Grünen, FDP und Union eingebracht wurde. Einer der zentralen Punkte dieser Resolution ist die Definition des Antisemitismus, die auf der Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) beruht. Diese Definition umfasst auch Antisemitismus gegen den Staat Israel. Anikó Glogowski-Merten von der FDP begrüßte die Aufnahme der IHRA-Definition und forderte deren konkrete Umsetzung in Schulen und Hochschulen, um jüdisches Leben zu schützen.
Gleichzeitig gibt es jedoch Bedenken gegen die Resolution. Kritiker warnen vor einer problematischen Normierung des politischen Diskurses. Fragen wie „Welche Normen bestimmen Debattenräume?“ und „Wann wird Kritik zu Diskriminierung?“ stehen im Raum. Es besteht die Sorge, dass legitime Kritik an Israel schnell in pauschalisierende Feindbilder umschlagen kann. Diese Bedenken werden durch ein Gutachten von Christoph Möllers untermauert, das vor den Gefahren einer allzu strengen Antisemitismus-Klausel im Förderrecht warnt.
Die jüngsten Entwicklungen verdeutlichen die Schwierigkeiten, vor denen Hochschulen stehen. Einerseits müssen sie Wissenschaftsfreiheit schützen, andererseits dürfen sie keine antisemitischen Narrative tolerieren oder normalisieren. Hochschulen sind daher gefordert, Räume für differenzierte Perspektiven zu schaffen und gleichzeitig eine offene Debatte zu fördern.
Die Jüdische Gemeinschaft in Deutschland, die etwa 200.000 Personen umfasst, sieht sich zunehmend einem immer stärkeren Antisemitismus gegenüber. Viele fühlen sich isoliert und schutzlos. Es ist daher notwendig, eine präzise Auseinandersetzung mit dem Antisemitismusbegriff zu führen und fortwährend über den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland nachzudenken.
Die heutigen Debatten um Antisemitismus und Wissenschaftsfreiheit sind daher nicht nur notwendig, sondern auch drängend, um sowohl den Schutz jüdischen Lebens als auch die Freiheit in der Wissenschaft zu gewährleisten.