
Der Krankenstand in Deutschland hat ein besorgniserregendes Niveau erreicht. Laut der Böckler-Stiftung stieg die durchschnittliche Zahl der krankgeschriebenen Arbeitstage von 11,2 im Jahr 2021 auf 15,1 Tage im Jahr 2023. Dieser Anstieg um 4 Tage könnte durch Grippe- und Erkältungswellen bedingt sein. Zudem zeigen offizielle Statistiken, dass der Anteil der Arbeitnehmer, die sich krankmeldeten, auf 6,1 % angewachsen ist.
Ein verbreitetes Vorurteil besagt, dass viele Beschäftigte die Regelungen zur Lohnfortzahlung in der Krankheitszeit ausnutzen. Diese Annahme wird jedoch als nicht plausibel erachtet. Der Krankenstand schwankt über die Jahre ohne signifikante Änderungen an den gesetzlichen Regelungen. Wissenschaftliche Erkenntnisse unterstützen die Forderung, strukturelle Ursachen des Krankenstandes anzugehen, anstatt riskante Lösungen, wie die Kürzung der Lohnfortzahlung, zu favorisieren.
Ursachen und Trends
Psychische Erkrankungen haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen, was eine höhere Diagnoserate und längere Fehlzeiten zur Folge hat. Diese Entwicklung steht im Zusammenhang mit steigendem Stress in den Betrieben, der durch Personalmangel und die fortschreitende Digitalisierung verstärkt wird. Auch eine hohe Zahl an Atemwegsinfekten nach den Covid-19-Schutzmaßnahmen trägt zum Anstieg des Krankenstandes bei.
Zusätzlich wird die verbesserte Erfassung von Krankmeldungen durch digitale Systeme als Faktor für die gestiegenen Zahlen angesehen. In deutschen Betrieben hatten viele Beschäftigte vor der Corona-Pandemie Erfahrungen mit „Präsentismus“, dem Phänomen, krank zur Arbeit zu gehen, was 70 % der Beschäftigten mindestens einmal pro Jahr betraf.
Vor der Einführung von Homeoffice ist bekannt, dass die durchschnittliche Anzahl der Fehltage pro Arbeitnehmer von 2007 bis 2023 stetig schwankte, mit einem Rückgang in 2017 und 2018, gefolgt durch einen weiteren Anstieg ab 2019. Die niedrigste Anzahl an Krankheitstagen wurde im Jahr 2007 mit 12,7 Tagen verzeichnet, deutlich unter dem aktuellen Durchschnitt.Statistiken zur durchschnittlichen Wochentage sicherstellen, dass Fehlzeiten mit einem Referenzwert von 36 % seit 1991 im Vergleich zum Jahr 2007 zurückgegangen sind.
Prävention und betriebliche Gesundheit
Die Böckler-Stiftung empfiehlt, die Arbeitsbedingungen zu verbessern sowie betriebliche Präventionsmaßnahmen zu stärken. Aktuell setzen viele Betriebe gesetzliche Verpflichtungen zur Prävention nicht vollständig um. Präventionsmaßnahmen wie Gefährdungsbeurteilungen und betriebliche Gesundheitsförderung sind entscheidend, um die Fehlzeiten effektiv zu senken. Es ist kritisch, dass Arbeitgeber die Solidarität der Lohnfortzahlung nutzen, um sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter Krankheiten auskurieren können. Dies fördert nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten, sondern sichert auf lange Sicht auch die Arbeitskraft des Unternehmens.
Die Verbesserung der betrieblichen Gesundheitsstrategien könnte dem Problem des Präsentismus entgegenwirken, das nicht nur die individuelle Gesundheit gefährdet, sondern auch die Sicherheit am Arbeitsplatz erhöht. In Anbetracht dieser Herausforderungen und einer nachhaltigen Perspektive darauf, wie Gesundheitssysteme und Unternehmen leisten können, könnte es einen langfristigen positiven Einfluss auf den deutschen Arbeitsmarkt haben.
Insgesamt wird deutlich, dass der Anstieg der Krankenstände in Deutschland ein komplexes Problem darstellt, das strukturelle, gesellschaftliche und betriebliche Lösungen erfordert.