
In Neubrandenburg sorgt eine Abkürzung über den dreispurigen Ring und den Wallgraben für zunehmende Besorgnis. Fußgänger, die diesen Weg quer durch den Verkehr nehmen, sparen etwa 200 Meter im Vergleich zum regulären Fußweg vom Busbahnhof zum Marktplatz-Center, der 635 Meter lang ist und über drei Ampeln führt. Diese kurze Strecke birgt jedoch erhebliche Gefahren, wie eine verletzte Frau zu berichten weiß, die sich beim Sprung über den Wallgraben einen Muskelfaserriss zuzog. Ihr Anliegen, entlang der Abkürzung Warnschilder aufzustellen, um auf die Verletzungsgefahr hinzuweisen, wurde von der Stadtverwaltung abgelehnt.
Die behandelnde Ärztin der verletzten Frau erklärte, dass sie in ihrer Praxis bereits mehrere ähnliche Verletzungsfälle, einschließlich eines Achillessehnenrisses, verzeichnet habe. Trotz dieses besorgniserregenden Tendenzen sieht die Stadt Neubrandenburg kein erhöhtes Gefahrenpotenzial. Sie betont die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmenden und rät ausdrücklich von der Nutzung der Abkürzung ab. Stattdessen wird auf die sichere Ampelkreuzung am Bahnhof verwiesen. Ein vorhandenes Verbotsschild (VZ 259 – Verbot für Fußgänger) nahe des Trampelpfades scheint dabei wenig Wirkung zu zeigen.
Verletzungsrisiko für Fußgänger
Die Nutzung der verbotenen Abkürzung scheint regelmäßig insbesondere von Schulkinder und Jugendlichen in Anspruch genommen zu werden. In den letzten fünf Jahren meldete die Polizeiinspektion Neubrandenburg lediglich einen Verkehrsunfall mit Fußgängern an dieser Stelle. Dennoch bleibt die Situation kritisch, da viele Fußgänger trotz der Risiken den direkten, aber gefährlichen Weg wählen.
Der Hangweg zum Graben wurde zudem mit grobkörnigem Material aufgefüllt, um das Relief der denkmalgeschützten Wallanlage zu erhalten. Die Stadtverwaltung bekräftigt hierbei, dass das Nutzungsverbot der Abkürzung nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus sicherheitstechnischen Gründen aufrechterhalten wird. Die Stadt vertritt die Auffassung, dass Nutzer nicht mit der erforderlichen Sorgfalt handeln.
Der Kontext der Fußgängersicherheit
Historische Entwicklungen zeigen, dass die Fußgängersicherheit im Straßenverkehr schon lange ein beträchtliches Problem darstellt. Historiker Kurt Möser beschreibt in seiner Analyse der Straße vor der Motorisierung, dass Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer damals ohne strenge Regeln agierten. Mit dem Anstieg der Anzahl und Geschwindigkeit der Automobile um 1900 kam es zu chaotischen Verkehrsbedingungen, in denen Fußgänger zunehmend gefährdet wurden. Diese Anarchie führte zu einem umfassenden Umbau des Verkehrssystems, das dem Auto zugunsten der Fußgänger einen untergeordneten Status zuteilte.
Eine positive Entwicklung ist, dass zwischen 2018 und 2021 die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Fußgänger von 459 auf 343 gesenkt werden konnte, was einen Rückgang von 25 % bedeutet. Dennoch sind Fußgänger nach wie vor ein oft unterschätztes Risiko im Verkehr, wobei sie im Jahr 2021 14 % der Verkehrstoten ausmachten.
Um den Fußgängerschutz zu verbessern, sind tiefgreifende Maßnahmen wie die Verkehrswende notwendig. Initiativen wie autofreie Zonen in europäischen Metropolen zeigen positive Veränderungen. Auch Tempolimits könnten eine signifikante Rolle bei der Reduzierung von Unfällen spielen, scheitern jedoch häufig an politischen Widerständen.
Die EU verfolgt mit der Vision Zero das ambitionierte Ziel, Verkehrstote auf null zu senken. Zukünftige Entwicklungen, wie der Übergang zum autonomen Fahren und emissionsfreien Verkehr, könnten schließlich zu einer erhöhten Sicherheit für Fußgänger führen. Dennoch bleibt die Frage der Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmenden, wie sie die aktuelle Situation am Neubrandenburger Ring zeigt.
Die Thematik bleibt somit von großer Bedeutung, nicht nur für die betroffenen Fußgänger, sondern auch für städtische Planer und die Politik, die tragfähige Konzepte für einen sicheren Verkehr schaffen müssen.