
Am 23. März 2025 hat das israelische Kabinett unter Premierminister Benjamin Netanyahu ein bedeutendes Misstrauensvotum gegen die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara beschlossen. Diese Entscheidung stellt einen ersten Schritt in Richtung ihrer möglichen Abberufung dar und ist Teil eines breiteren Trends, in dem Kritiker der Regierung systematisch unter Druck gesetzt werden. Justizminister Yariv Levin bestätigte den Schritt und betonte, dass Baharav-Miara wegen „unangemessenen Verhaltens“ und andauernden „erheblichen Meinungsverschiedenheiten“ mit der Regierung in den Fokus rückt. Ihre Abwesenheit während der Kabinettssitzung verdeutlichte die Spannungen zwischen ihr und dem Kabinett.
Baharav-Miara hat die Vorwürfe vehement zurückgewiesen. In einer Erklärung wies sie darauf hin, dass das Misstrauensvotum einen strategischen Versuch darstellt, die Justiz zu schwächen und der Regierung „grenzenlose Macht“ zu verleihen. Sie selbst war jedoch der Meinung, dass der Ablauf des Misstrauensantrags nicht den rechtlichen Prozess zur Abberufung berücksichtigt. Das Votum führt noch nicht unmittelbar zu ihrer Absetzung. Ein Ausschuss wird sich mit den Argumenten befassen und eine Anhörung einberufen, wobei rechtliche Hürden die Abberufung über Wochen hinweg verzögern könnten.
Konflikt um die Unabhängigkeit der Justiz
Kritiker von Netanyahu sehen diesen Schritt als Teil seiner Bemühungen an, die Unabhängigkeit der Justiz einzuschränken. Präzedenzfälle solcher Art haben in der Vergangenheit landesweite Proteste ausgelöst. Diese Proteste sind nicht neu: Seit Januar 2023 finden in Israel massive Demonstrationen gegen die Versuche der Regierung statt, das Justizsystem umzubauen. Hunderttausende Menschen machen mobil, um dem Umbau ihrer Demokratie entgegenzuwirken, der als Aushöhlung der Gewaltenteilung kritisiert wird. Ein zentraler Punkt der Kontroversen ist, dass Israel keine formale Verfassung hat, was den rechtlichen Rahmen für solche Maßnahmen weiter kompliziert.
Netanyahus Regierung und ihre Verbündeten werfen Baharav-Miara vor, die Regierung zu untergraben. Diese Auseinandersetzung erfolgt im Kontext einer bereits angespannten politischen Lage, die durch die Entlassung von Ronen Bar, dem Leiter des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, weiter verschärft wurde. Bar wird befragt, nachdem er öffentlich Kritik geübt hat, insbesondere in Bezug auf die Ereignisse vor dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023. Seine Absetzung könnte im Zusammenhang mit einem Versuch gesehen werden, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mit der Kontrovers zu befassen, nachdem er die Entscheidung zur Entlassung von Bar ausgesetzt hat. Protestierende sehen in den jüngsten Entwicklungen eine ernsthafte Bedrohung der demokratischen Strukturen in Israel.
Reaktionen und Ausblick
Die bevorstehenden Anhörungen und die rechtlichen Schritte rund um das Misstrauensvotum gegen Baharav-Miara werden mit Spannung verfolgt. Kritiker warnen, dass die Regierung unter Netanyahu opportunistisch versucht, die Justiz zu kontrollieren und die Balance der Macht zu verschieben. Prominente Persönlichkeiten, einschließlich des Obersten Gerichtspräsidenten Esther Hayut, haben bereits Alarm geschlagen und vor nicht hinnehmbaren Konsequenzen gewarnt, falls die Reformpläne weiter vorangetrieben werden.
In diesem sich entwickelnden Konflikt bleibt abzuwarten, ob die Regierung ihre Reformbestrebungen durchsetzen kann oder ob sich eine breitere gesellschaftliche Opposition formiert, die die fundamentalen demokratischen Prinzipien in Israel verteidigen wird. Die kommenden Monate könnten entscheidend sein für die zukünftige Gestaltung des israelischen Justizsystems und die politische Landschaft des Landes.