
Der politische Handlungsspielraum in Deutschland hat sich erheblich verändert, nachdem Olaf Scholz im November 2023 die Ampel-Koalition platzen ließ. In der Folge entzog das Plenum Scholz wenig später das Vertrauen, was zu einer vorzeitigen Bundestagswahl am 23. Februar 2024 führte. Besonders die Nachbarländer, insbesondere Polen, hegen Hoffnungen auf einen baldigen politischen Aufschwung in Deutschland.
Tomasz Lejman, politischer Korrespondent in Berlin, äußerte sich zur aktuellen Situation und glaubt, dass die Entscheidung für Neuwahlen richtig war. Er betonte, dass die Bilanz der Regierung Scholz bei der Bevölkerung auf Enttäuschung stößt. Zwischen Deutschland und Polen hatten sich die Beziehungen nach der letzten Bundestagswahl nicht wie erhofft entwickelt. Ministerpräsident Donald Tusk hat sich bislang nicht öffentlich hinter Scholz gestellt, und die Differenzen, insbesondere in der Ukraine-Politik, sind spürbar.
Deutsch-polnische Beziehungen im Fokus
Lejman erklärte, dass Merz, der mögliche Nachfolger Scholz’, die Gelegenheit haben könnte, die Beziehungen zu Polen zu verbessern. Insbesondere nach Gesprächen in Kiew und Warschau besteht die Hoffnung auf eine Annäherung, da Polen in der Vergangenheit enttäuscht war über Deutschlands zögerliche Unterstützung für die Ukraine. Scholz wird vorgeworfen, wichtige Entscheidungen nur nach Rücksprache mit US-Präsident Biden getroffen zu haben, als Polen bereits vor zwei Jahren die Lieferung von Patriot-Abwehrsystemen und Leopard-Panzern gefordert hatte.
Lejman sieht zudem die Rolle Deutschlands in der EU als geschwächt an, da die Innenpolitik und wirtschaftliche Probleme den Blick auf die gemeinsamen Herausforderungen trüben. Polen strebt eine aktivere Rolle in der EU an und fordert mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit. In Warschau gibt es Stimmen, die steigende Verteidigungsausgaben für notwendig erachten. Dabei wird Deutschlands Position als Wirtschaftsmotor zunehmend als bröckelnd wahrgenommen, was Polen als Chance sieht, seine eigene Position zu stärken.
Zusätzlich wird auf die Veränderungen in den deutsch-polnischen Beziehungen seit dem Regierungswechsel in Deutschland im Herbst 2021 hingewiesen. Experten erwarten nicht, dass die neue Bundesregierung grundlegende Revolutionen vornimmt, sondern vielmehr eine Verschiebung der Schwerpunkte. Daher beeinflusst die internationale Situation die deutsch-polnischen Beziehungen stärker als die neue Regierungsbildung.
Die polnische Regierung sieht sich zudem mit Vorwürfen der Verletzung der Rechtsstaatlichkeit und der Misshandlung von Geflüchteten konfrontiert. Sie versucht, diese Isolation durch den Aufbau einer nationalkonservativen europäischen Bewegung zu überwinden, wobei führende rechte Politiker kürzlich in Warschau und Madrid zusammentrafen, um ein nationalstaatliches Europa zu stärken. Allerdings bleibt die Haltung der deutschen Regierung zur Russlandpolitik unklar, und die Klimapolitik steht ebenfalls im Widerspruch zu den polnischen Plänen zur Kohle- und Kernkraftnutzung.
Olaf Scholz’ Antrittsbesuch in Warschau im Dezember 2021 führte zu Diskussionen über zentrale Themen, wie Belarus und die russische Bedrohung. Die Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 führte zu einer entschlossenen Antwort beider Länder bezüglich der sicherheitspolitischen Bedenken.
In den letzten Monaten gab es mehrere hochrangige Treffen zwischen Polen und Deutschland. Dennoch ist die Rückkehr zu scharfer Kritik an Deutschland durch die polnische Regierung und Medien deutlich spürbar. Eine positive Entwicklung könnte sich aus der Ernennung von Dietmar Nietan als Koordinator für die deutsch-polnischen Beziehungen ergeben, die von vielen als Schritt in die richtige Richtung bewertet wird. Trotz der Herausforderungen gibt es nach wie vor Potenzial für eine tiefere Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern, vor allem in der humanitären Hilfe und im Umgang mit den Hausträgheiten der Energiepolitik und Rechtsstaatlichkeit.
Wie laender-analysen.de analysiert, bleibt die Wahrnehmung Polens in Deutschland durch die Unterstützung für die Ukraine und die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge positiv, während die unterschiedlichen Ansichten über die EU-Integration und den Status der Ukraine als EU-Beitrittskandidat die Zusammenarbeit weiterhin herausfordern werden.