
In der Handwerksbranche ist ein bemerkenswerter Wandel zu beobachten, vor allem durch Frauen, die zunehmend Berufe ergreifen, die traditionell von Männern dominiert werden. Ein herausragendes Beispiel für diesen Wandel ist die 28-jährige Vanessa Matthies aus Walsrode, die sich nach einigen Umwegen nun in einer Ausbildung zur Mechatronikerin für Land- und Baumaschinentechnik befindet. Matthies, die ihre Schulzeit an der Hauptschule nach der neunten Klasse abschloss, hatte anfangs Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu finden, da viele Unternehmen ein Abitur voraussetzten. Dies führte sie zunächst in den Straßenbau, wo sie mit ihren Kollegen trotz gleicher Arbeit deutlich weniger verdiente – 12,96 Euro pro Stunde im Vergleich zu 17 Euro, die ihre männlichen Kollegen erhielten.
Die Wende für Matthies kam, als sie durch den Kontakt ihrer Tochter zur Tochter der Juniorchefin von Hesse Fördertechnik in Wietze auf die Möglichkeit einer Ausbildung aufmerksam wurde. Ihre Leidenschaft für Motoren und große Fahrzeuge, die sie durch ihren mechaniker Vater entwickelte, motivierte sie, sich in diesem Bereich weiterzubilden. Jeannine Schäfer, die Juniorchefin des Familienbetriebs, betont, dass in ihrem Unternehmen Motivation weitaus wichtiger sei als Schulnoten. Dieser Ansatz hat Matthies ermutigt, dennoch den Schritt in eine männerdominierte Branche zu wagen.
Neue Perspektiven im Handwerk
Mit dem Beginn ihrer Ausbildung in August 2023 an der BBS Burgdorf, einer Schule mit einem starken Fokus auf Mobilität, fühlt sich Matthies nun wertgeschätzt und sieht eine klare Perspektive für ihre berufliche Zukunft. Besonders interessant ist, dass die BBS Burgdorf verschiedene Fachkräfte im Bereich Fahrzeugtechnik ausbildet, zu denen auch eine innovative Einführung eines autonomen Busses gehört. Der Schulleiter Ulf Jürgensen hebt die Bedeutung von Mobilität in der heutigen Zeit hervor und zeigt, dass die Branche sich ständig weiterentwickelt.
Matthies muss die Herausforderungen der Ausbildung mit der Betreuung ihrer Tochter, die in die erste Klasse geht, meistern. Sie sieht jedoch die familienfreundlichen Arbeitszeiten bei Hesse Fördertechnik als großen Vorteil. Ihre Geschichte spiegelt einen Trend wider, der zeigt, dass immer mehr Mädchen und Frauen im Handwerk alte Klischees brechen. Ein Beispiel aus der gleichen Branche ist die 19-jährige Marit Westphal, die seit August 2021 eine Ausbildung zur Kraftfahrzeugmechatronikerin absolviert. Sie ist das erste weibliche Auszubildende in dem Betrieb von Andreas Monzer in Wittstock und hat, trotz anfänglicher Skepsis des Inhabers, positive Erfahrungen gemacht und empfiehlt, dass auch andere Betriebe Frauen ernst nehmen.
Frauen im Handwerk
Aktuellen Schätzungen zufolge liegt der Frauenanteil unter den Auszubildenden im Handwerk bei etwa 14,1 Prozent. Besonders ist die Zunahme junger Frauen in gewerblich-technischen Berufen wie Kraftfahrzeugmechatronikerin, Tischlerin sowie Augenoptikerin zu beobachten. Laut den Zahlen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks sind Frauen in kreativen Handwerksberufen wie Maßschneiderin oder Goldschmiedin deutlich stärker vertreten. Dies zeigt, dass der Brancheneintritt von Frauen nicht nur eine individuelle Erfolgsgeschichte ist, sondern Teil eines größeren Trends.
Insgesamt zeigt sich, dass die Bausteine für eine überfällige Diversifizierung im Handwerk gelegt werden. Junge Frauen wie Matthies und Westphal beweisen, dass mit Engagement und Motivation auch in teilweise noch männerdominierten Berufsfeldern neue Perspektiven geschaffen werden können.