
Der tödliche Messerangriff auf eine Kindergruppe in Aschaffenburg im Januar 2025 hat eine breite Debatte über Kriminalität und Migration entfacht. In der Folge haben mehr als 60 Strafrechtswissenschaftler, darunter Prof. Dr. Susanne Beck und Prof. Dr. Bernd-Dieter Meier vom Kriminalwissenschaftlichen Institut der Leibniz Universität Hannover, vor einer Verschiebung in der Kriminalitätsdebatte gewarnt und fordern eine evidenzbasierte Kriminalpolitik. Die Universität Hannover berichtet, dass die Stellungnahme von Wissenschaftlern aus ganz Deutschland unterzeichnet wurde und auf der Webseite der Kriminalpolitischen Zeitschrift veröffentlicht wurde.
Die Wissenschaftler kritisieren die emotionalen Reaktionen auf solche Vorfälle sowie die politischen Schnellschüsse, die oft eine sachliche Analyse verdrängen. In ihrer Stellungnahme warnen sie vor einer Verknüpfung von Straftaten mit migrationspolitischen Maßnahmen, wie etwa Einschränkungen beim Familiennachzug, und betonen, dass soziale Isolation Kriminalität begünstigen kann.
Forderung nach rationaler Kriminalpolitik
Die Wissenschaftler erheben zahlreiche Forderungen, die zur Schaffung einer rationalen Kriminalpolitik beitragen sollen. Dazu gehören:
- Rationale, empiriebasierte Analyse
- Sachlicher Umgang mit Kriminalstatistiken
- Berücksichtigung kriminologischer Erkenntnisse bei Gesetzesvorhaben
- Wahrung der Verhältnismäßigkeit im Strafrecht
- Trennung von Straf- und Aufenthaltsrecht
Ein zentrales Argument der Wissenschaftler ist, dass Kriminalität keine Folge der Staatsangehörigkeit ist. Diese Perspektive wird durch die Erkenntnisse untermauert, dass ein kleiner Teil der Migranten straffällig wird, jedoch insgesamt häufiger mit Straftaten in den Statistiken auffällt als Nichtmigranten. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung sind Unterschiede in der Kriminalität unter Migranten oft auf Alters- und Geschlechtszusammensetzung sowie belastende Lebensumstände zurückzuführen.
Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass Erwachsene Migranten mit Zugang zum Arbeitsmarkt selten straffällig werden. Gewaltdelikte unter Geflüchteten können in vielen Fällen durch Konflikte in Gemeinschaftsunterkünften und prekäre Lebensumstände beeinflusst werden. Die Veröffentlichung des KFN zeigt zudem, dass die Kriminalität unter jungen Menschen aus Migrantenfamilien rückläufig ist, ähnlich wie bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.
Statistische Betrachtungen
Interessant ist die Betrachtung der Kriminalstatistiken: Im Jahr 2019 betrug der Anteil der tatverdächtigen „Zuwanderer“ an allen Tatverdächtigen 8%. Trotz einer Überrepräsentation in der Kriminalstatistik bedeutet dies nicht, dass Migranten generell eine höhere Kriminalität pro Kopf aufweisen. Vielmehr spielen soziale Faktoren und polizeiliche Praktiken eine entscheidende Rolle bei der Kriminalisierung.
Die Anzahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge stieg zwischen 2012 und 2018 von 550.000 auf knapp 1,8 Millionen. Während die Gesamtzahl der registrierten Straftaten in den letzten Jahren nicht signifikant angestiegen ist, gibt es in vielen Bereichen einen Rückgang der Kriminalitätshäufigkeit. Bildungsinstitutionen könnten hier eine Schlüsselrolle für die Integration von Kindern aus Zuwandererfamilien spielen und somit potenzielle Kriminalitätsrisiken mindern.
Zusammenfassend fordern die Wissenschaftler eine differenzierte Diskussion über Kriminalität und Migration, die auf sachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Nur durch diese können Vorurteile abgebaut und eine rationale Kriminalitätsbekämpfung sichergestellt werden.